1935

In Bordeaux nach einem warmen Sommer eine große, aber total verregnete Ernte. Da dürfte heute kaum noch etwas Brauchbares zu finden sein.

Ein untrinkbares Säuremonster war in seine Jugend sicher Cos d´Estournel. Genau diese Säure, die am Gaumen immer noch massiv spürbar war, hatte diesen Wein aber am Leben gehalten. So hatte er 2006 auf der großen Cos-Probe eine sehr dichte, deutlich jünger wirkende Farbe, etwas balsamisch, wirkt verbrannt, aber für den Jahrgang absolut sensationell und durchaus trinkbar – 83/100.

Erstaunlich 2017 aus der Magnum Haut Brion, bei dem die Nase mit Himbeere und Malaga besser war als der monolithische, metallische Gaumen – WT87. Grenzwertig 2012 der erste Schluck des La Mission, der noch eine erstaunlich dichte, intakte Farbe hatte. Doch gerade, als ich diesen „Mottenkugelsaft“ wegschütten wollte, bäumte sich dieser Wein aus einer 1979 reconditionierten Flasche noch mal auf, zeigte Herbstlaub, Soja und sogar noch eine verhaltene Süße – 85/100.

Mehr Glück hatten da schon die Winzer in Burgund, die eine sehr gute Ernte einbrachten. 35er Burgunder werden heute selten angeboten, sind aber die Suche wert.

Der Vosne Romanée Malconsorts Collection du Docteur Barolet hatte 2015 noch eine gute von der kräftigen Säure getragene, rotbeerige Frucht, Hagebutte, nur fehlten für das große Burgundererlebnis Schmelz, Süße und Finesse – WT89. Ein Monthélie Gelicot Hospice de Beaune von Doudet-Naudin war 1994 der Star einer Drawert-Probe. Ich habe diesen Wein danach noch mehrfach verkostet. 2022 zeigte er wieder traumhafte Frucht und Frische(!), reife Waldbeeren, so elegant mit spielerischer Finesse, dabei unglaublich druckvoll mit gewaltiger Länge. Legte im Glas enorm zu und entwickelte feine, verschwenderische Süße. Ein seidig-kräftiger Ausnahmeburgunder, der locker als großer 59er durchginge – WT100. Ein Richebourg von DRC zeigte 2016 noch eine geradezu erstaunlich Kraft und Würze, dazu einen enorm langen Abgang – WT96. Ein Clos Vougeot von Morin war 2012 auf einer Best Bottle leider ziemlich oxidiert. Eine zweite Flasche im selben Jahr haate eine reife Farbe, die zu Anfang etwas schwierige Nase mit Aceton wurde mit der Zeit immer besser, der Gaumen war deutlich gefälliger mit schöner Süße – 92/100.

Vereinzelt tauchen auch noch edelsüße deutsche Weine auf, doch war hier 1935 kein gutes Jahr.

Ich habe hier 1993 eine Oppenheimer Reifekar TBA von der Staatsdomaine getrunken, weit entwickelt, rosinig mit deutlichem Medizinalton. Schlichtweg spektakulär 2009 eine Wehlener Sonnenuhr feinste Auslese vonJoh. Jos. Prüm. Blutjung und fast taufrisch, dabei eher halbtrocken wirkend kam dieses, von massiver Säure geprägte Teil ins Glas und stand dort wie eine Eins, Jahrzehnte jünger wirkend. Entwickelte sich praktisch den gesamten Abend über im Glas und baute enorm aus. Mit der Zeit kam dann auch immer mehr Süße und feine Honigtöne. Ein spannungsgeladener, gewaltiger Wein – 96/100. Gewöhnungsbedürftig 2013 die Nase der bräunlichen Forster Mariengarten Riesling BA von Mosbacher mit viel räsigem Alpkäse, am Gaumen erst gezehrt und deutlich über den Punkt wirkend, nicht mehr viel Süße, wird mit Zeit und Luft zugänglicher, nur riechen darf man halt nicht dran – 86/100.

Durchaus trinkbar könnte auch noch der ein oder andere Spanier sein.

So 2007 auf René Gabriels Spanien-Probe ein Bodegas Palacio Reserva Especial, bei dem der Genuss allerdings stark durch Kork getrübt wurde. Zuletzt 2013 konnte dieser kernige, rustikale Wein mit seiner leicht verbrannt wirkenden Aromatik durchaus überzeugen – 89/100.

Mein eigentlicher Favorit und Star des Jahrgangs stammt aus Kalifornien. 1935 war in Kalifornien kein großes, aber ein gutes Jahr. Nur 2 Jahre nach dem Ende der Prohibition hat dort Simi einen Ausnahmewein produziert. Ich hatte ihn 1997 durch Zufall in einem Restaurant in Atlanta entdeckt. Die 10 Jahren vorher neuverkorkte Flasche mit perfekter Füllmenge hatte eine erstaunlich dichte Farbe mit Orangenrand, massive, tragende Säure, am Gaumen komplex und lang, großer Stoff, dem ich sein Alter kaum glauben konnte. Wir reservierten sofort die zweite Flasche und tranken sie an gleicher Stelle ein Jahr später. Auch diese war in bestechender Form. Soviel zum Reifepotential kalifornischer Weine!

Eine dritte Flasche dieses Simi Cabernet Sauvignon entkorkten wir im September 2005, als er wieder wie eine Eins im Glas stand. Erstaunlich kräftige Farbe, in der Nase etwas Jod, aber auch Fruchtreste, Kaffee, am Gaumen massive Statur, Kraft, balsamische Noten, entwickelt schöne Süße - 95/100. Numero vier kurz vor Weihnachten 2010, Minze, Eukalyptus, aber auch noch reife Kirschfrucht, dazu eine beeindruckende Statur, ein sehr harmonischer, druckvoller Wein wie aus einem Guß, der mit der Zeit am Gaumen immer süßer wurde – 96/100. Numero fünf 2013 auf der California Wine Legends war ein in Würde gereifter Weingreis, in der Nase etwas staubig-trockene Eleganz, Kaffee, Fruchtreste, deutliche, tragende Säure, sicher nicht die beste Flasche – 89/100. Auf derselben Probe 2013 ein verrückter Wein der Simi Winery Zinfandel. Reife Farbe mit deutlichen Orangetönen, wilde, animalisch-exotische Aromatik in der Nase und am Gaumen, Lakritz, Kräuter, Orangenzesten, Veilchen, Opas alter Herrensattel, ändert sich laufend und zeigt neue Facetten, noch so vital und lebendig, natürlich getragen von der kräftigen Säure – 94/100.