Boxenstop

Was für ein herrlicher Abend mit den Gantenbeins & Friends in Bad Ragaz im Rössli. Grosse Weine, große Küche und großartige Stimmung. Machte verdammt viel Spaß, dieser traditionelle Boxenstopp auf dem Weg in die Berge.

Gleich der erste Wein weit mehr als ein Apero. Das war ein richtiges Highlight, dieser 1993 Chevalier Montrachet von Leroy. Der zeigte enorme Kraft, intensive Mineralität, Tiefgang und Länge, aber auch eine wunderbare Ausgeglichenheit und Eleganz, wirkte immer noch taufrisch – WT96.

Alt und im Glas doch immer noch so vital wurde es dann mit zwei Pommards, die sich jeweils als typische Vertreter ihres Jahrgangs entpuppten. Colafarben kam der 1928 Pommard Rugiens aus der Collection du Docteur Barolet ins Glas. Gleich der erste Schluck knallte richtig am Gaumen. Was für ein unglaublich kräftiger Wein, eben ein typischer 28er, mit viel Kaffee, generöser Süße und auch seidiger Eleganz – WT97. Etwas verhalten zuerst der 1929 Pommard Rugiens von Faiveley, der aber irre im Glas ausbaute. Wirkte etwas feiner und eleganter als der 28er, auch deutlich frischer, dabei so hoch elegant – WT98. Damit lag er zum Schluss eine Nasenspitze vor dem Barolet, aber auf was für einem Niveau! Eigentlich hätte man beide Weine über Stunden im Glas verfolgen können, ohne dass sie abgebaut hätten. Doris Kellenberger, die alle Weine absolut perfekt in die Karaffe bzw. ins Glas brachte, hatte die Burgunder jeweils etwa eine halbe Stunde vorher dekantiert. Ein gut gereifter Burgunder egal welchen Alters hält das spielend aus und gewinnt deutlich durch das Dekantieren.

Beim 1934 Musigny von Lionel J. Bruck irritierte zu Anfang eine sehr gewöhnungsbedürftige Fahrradschlauch Nase. Am Gaumen war der Musigny deutlich besser. Auch die Nase entwickelte sich stückweit, während am Gaumen richtig die Post abging. Der Musigny wurde immer süßer, druckvoller und fülliger – WT95. Der hätte einfach eine bessere Nase (und dann auch eine höhere Bewertung) verdient gehabt. Mit der Perfektion flirtete der 1937 Charmes Chambertin von Jacques Bouchard aus diesem legendären Burgunderjahr. So seidig, so stimmig mit betörender, tänzerischer Leichtigkeit, dabei gleichzeitig so unglaublich druckvoll und lang. Ein immer noch so vitaler, zeitloser Weinriese aus einem Guss – WT99.

Auch beim 1945 Beaune Grèves von Ropiteau Frères hielt mich nur ein unerklärlicher Geiz von der Maximalpunktzahl gab. Das war so ein immer noch fast blutjung wirkender, dichter, zupackender Wein, sehr komplex und mit irrer Länge – WT99. An den legendären 55er Vandermeulen Gevrey erinnerte mich der 1949 Gevrey Chambertin von Piat. Sehr kräftig, dicht mit sehr druckvoller Aromatik und enormem Standvermögen, dabei mit burgundischer Pracht und Fülle und herrlicher Süße, gepaart mit großartiger Struktur und Potential für noch lange Jahre – WT97. Ergänzt wurde die Palette der reifen Burgunder noch durch einen Wein, der eigentlich für ein ganz spezielles Ereignis in den letzten Tagen des Jahres vorgesehen war. 1954 war weder in Burgund noch in Bordeaux ein gutes Jahr, doch dieser 1954 Nuits St. Georges von Doudet-Naudin entpuppte sich (mal wieder) als absoluter Ausnahmewein, der jede Jahrgangsklassifikation Lügen strafte. Ein sehr feiner, fruchtiger Burgunder mit immer noch voll intakter Farbe, am Gaumen eher etwas schlanker, mehr Finesse als Power, dazu feiner, generöser Schmelz und eine erstaunliche Länge - 94/100. 1954 Geborene könnten mit diesem Wein sicher noch ihren 70. Geburtstag feiern.

1959 zeigte sich in zwei Exemplaren wieder als großes Burgunderjahr mit Weinen, die noch eine große Zukunft haben. Der 1959 Chapelle Chambertin für die Confrérie du Tastevin von Bouchard wirkte noch so jung mit süßer, kirschiger Frucht, mit viel Kraft, gut verpackt in samtig-elegante Textur, einfach ein Prachtburgunder – WT96. Noch eine Ecke drüber der 1959 Hospice de Beaune Corton Cuvée Docteur Peste abgefüllt von Morin Père et Fils, gefühlt eher Côte de Nuits als Côte de Beaune, ein kompletter Wein mit herrlicher Frucht, mit Süße, Druck, Fülle und toller Struktur – WT97.

Damit kamen wir zu den jüngeren Burgundern. Begeistert hat mich gleich der Erste davon, ein 1990 Echezeaux von Dujac. Unglaublich, was für ein gewaltiger, druckvoller Riese da im Glas war, sehr balanciert mit guter Frucht und immer noch intaktem Tanningerüst – WT97. Mit dieser Bewertung liege ich deutlich über Parker, der diesem Wein 1992 mal gerade 89/100 gab und von einem 7-8jährigen Trinkfenster sprach und auch über Alleb Meadows, der im Vergleich dazu mit 91/100 schon fast freigiebig war. Des Rätsels Lösung? Der Wein war mit Stengeln vergoren, wie früher viele der großen, klassischen Burgunder. Das schafft immenses Alterungspotential, schiebt aber auch die Trinkreife nach hinten. Das, was wie hier jetzt nach immerhin 24 Jahren im Glas hatten, war extrem beeindruckend und immer noch altersfrei. Deutlich wurde das im Vergleich zu einem 1995 Clos de Vougeot von Leroy. Auch das ein großer Wein mit Kraft und aromatischem Druck. Aber im Vergleich zum Dujac wirkte dieser Wein auf hohem Niveau etwas poliert und „modern“. Nochmal zurück zu Dujac und dem Jahrgang 1990. Ich habe gerade den früher unterbelichteten Jahrgang 1992 für mich wieder entdeckt, gewaltige Weine, die jetzt erst richtig auf die Überholspur gehen. Ähnliches scheint für die besseren Weine des Jahrgangs 1990 zu gelten. Spontan fallen mir da so Kandidaten wie Musigny VV von Vogue oder Corton Clos des Corton von Faiveley ein. Ich werde mich mit diesem Jahrgang wohl noch mal intensiver auseinandersetzen.

Und dann kamen noch zwei Weinbabys mit prächtigen Anlagen. Klar war dieser 2006 DRC La Tâche noch zu jung, war es Sünde, da jetzt schon den Korken zu ziehen. Aber was wir da ins Glas bekamen war in seiner jugendlichen Fruchtigkeit so ein einfach geiles, dichtes, würziges Geschoß mit enormem Tiefgang, sehr frisch mit faszinierendem Spiel roter und blauer Früchte, dazu bei aller Kraft mit einer faszinierenden Eleganz und Leichtigkeit – WT96. Life is too short for not drinking La Tâche whenever possible – auch wenn er eigentlich noch zu jung ist. Viel zu jung im anderen Glas der 2008 Chambertin Clos de Bèze von Armand Rousseau. Der startete sehr verhalten mit ungewöhnlich viel Brett in der Nase und wirkte in der ersten Anmutung fast wie ein (zu) junger Bordeaux, der vor Kraft kaum laufen konnte. Der brauchte unglaublich viel Luft und Zeit, um dann schließlich förmlich im Glas zu explodieren. Aus Brett wurde superbe Frucht, es entfaltete sich eine gewaltige Fülle, die Textur wurde immer samtiger, und dann war leider mein Glas leer. Schade, diesen Wein hätte ich gerne bis in die frühen Morgenstunden weiterverfolgt. Dann wäre wohl zu meinen WT95+ noch was dazu gekommen.

Schon tief in der Nacht zauberte Ueli Kellenberger dann noch einen wunderbaren „allerletzten“ Wein aus dem Keller, eine 1994 Saarburger Rausch Riesling BA von Geltz-Zilliken. Kräftiges Goldgelb, feine Honigsüße, Schiefermineralität, schone Fülle und immer noch gute, balancierende Säure – WT94.