Elkes Jubiläumsfeuerwerk

10 Jahre Rare Bordeaux-Weine gehörten gebührend gefeiert, und was Elke Drescher da in einer ganztägigen Probe an Raritäten ins Glas brachte – alleine 6mal WT100!!! - war ein sensationelles Feuerwerk.

Wer den Wineterminator regelmäßig liest, dem muss ich wohl Elke Drescher nicht mehr groß vorstellen. Vor 10 Jahren hat Elke mit dem Handel alter und rarer weine begonnen. Heute gehört sie zu den führenden Anbietern von Weinraritäten im deutschsprachigen Markt. Ihr sicheres Gespür für große Weine und ihr goldenes Händchen bei der Auswahl der richtigen Flaschen zeigt sie auch auf ihren regelmäßigen Raritätenproben, auf denen sich auch der Winterminator von dieser überaus charmanten Gastgeberin verwöhnen lässt.

Tatort der großen Jubiläumsprobe war der Gourmettempel der Familie Steinheuer in Bad Neuenahr. Hier startete in den rustikalen Poststuben zu Kalbsblutwurst, Rinderroulade und Ahrtaler Rehsauerbraten der erste Teil der Probe. Hört sich simpel an, war aber vom Feinsten. Große Köche erkennt man daran, dass sie auch solche Gerichte perfekt auf den Teller bringen. Parallel zum ersten Gang ging es los mit 4mal 1955. Ein Gigant gleich der erste Wein, 1955 Clos l´Eglise Clinet in einer Barrière Abfüllung. Immer noch sehr junge, dichte, dunkelrote Farbe, süße Beerenfrüchte in Bitterschokolade, trüffelig, Minze, am Gaumen auch leicht balsamische Noten und portig, sehr druckvoll und lang, hat sicher die Klasse der besten, heutigen l´Eglise Clinets – WT97. „Clos l´Eglise Clinet“ ist übrigens die alte Bezeichnung des Gutes, die sich in 1955 nur noch auf der Barrière-Abfüllung findet. Die Chateauabfüllungen liefen bereits unter l´Eglise Clinet. Leichter nicht die beste Flasche war der 1955 Clos de Tart Vandermeulen, eigentlich ein Jahrhundertwein, aber hier eher wie ein reifer Wein von der Rhone wirkend. Dafür brillierte der 1955 Gevrey Chambertin Vandermeulen wieder. Was für ein gewaltiger, enorm kraftvoller Wein mit superber, konzentrierter Frucht, aber nicht marmeladig, da ist ein feines Spiel roter und blauer Beeren und eine sehr vielschichtige Aromatik, am Gaumen enorme Kraft, Fülle und Länge, ein großer Burgunder für 20 weitere Jahre – WT98. Immer noch sehr vital zeigte sich der 1955 Cos d´Estournel, der leider mit der Zeit einen immer stärkeren Kork entwickelte. Alle Weine des Tages natürlich perfekt ins Glas gebracht von Oliver Speh, dem Spitzen-Sommelier auch meines Vertrauens, ohne den ich schon seit langem keine große Probe mehr mache.

Wie schön, wenn ein Traumwein aus der Magnum großzügig ins Glas kommt. So geschehen mit 1953 Gruaud Larose aus der Magnum, der sich mit herrlicher Frucht und süßem Schmelz als St. Julien in Perfektion präsentierte, absolut stimmig sehr elegant, burgundisch mit tänzerischer Eleganz und unendlicher Länge – WT97. Klar taten sich die anderen Weine schwer gegen diesen Traumstoff. Der 1962 Gruaud Larose wirkte mit seiner strengen, staubig-erdigen Nase und dem teerigen Gaumen dagegen wie so eine Art älterer Barolo aus Bordeaux, der nur als Speisebegleiter halbwegs überzeugen konnte – WT87. Besser der 1981 Gruaud Larose mit seiner intensiven Pepperoninase und erster, feiner Süße am generösen Gaumen. Der ist noch so lebendig und gehört zu den besten Weines dieses Jahrgangs mit immer noch guter Zukunft – WT90. Gruaud in Perfektion dann aus einer absolut perfekten Flasche der gewaltige 1982 Gruaud Larose, der hier noch fast zu jung wirkte – WT96+. Nimmt man den 53er als Vergleich, mit dem er in allem locker mithalten kann, dann hat dieser Gruaud-Riese noch mindestens 30 Jahre Zukunft.

Die Überraschung des Mittags war für mich der 1946 Cheval Blanc aus einem extrem schwierigen Jahr. Zumindest war das in der ersten Viertelstunde so. Eine irre Nase mit dem typischen Cheval Blanc Parfüm, am Gaumen sehr elegant mit feinem, süßem Schmelz, da war ich schnell bei WT97. Nur hielt dieses Wunder nicht lange. Der 46er baute rapide ab und war schnell nur noch ein Schatten seiner selbst. Wer nächstes Jahr 70 wird und davon eine gut gelagerte Flasche besitzt: aufmachen und dann ex und hopp. Keine solche Eile ist beim Kraftbolzen 1948 Cheval Blanc nötig. Der erinnerte in der Nase mit deutlichem Eukalyptus an große, reife Heitz Martha´s Vineyards und zeigte auch am Gaumen eine enorme Kraft – WT95. Großes Flaschenglück hatten wir beim 1964 Cheval Blanc, der sich aus dieser perfekten Flasche in der Nase mit diesem unwiderstehlichen Cheval Parfüm und am balancierten Gaumen mit seidiger Eleganz zeigte – WT95. Sehr fein, elegant, aber auch leichtgewichtig zeigte sich der 1971 Cheval Blanc – WT91. Beide Weine, 64 und 71, würde ich nur noch in perfekt gelagerten Flaschen, besser noch in Großflaschen kaufen.

Große Sterneküche am Abend in festlichem Rahmen. Dazu hatte Elke 4 große Chateaus in jeweils 5 großen, klassischen Jahrgängen vorgesehen. Spannend auch die beiden Aperos. Sehr jung noch und erst am Anfang einer längeren Entwicklung der 2004 Dom Perignon, der mit feiner Frucht, Brioche und nussigen Aromen andeutete, was da in ein paar Jahren mal draus werden könnte – WT92+. Schlichtweg aus den Schuhen haute mich aber der 2011 Tement Sauvignon Blanc Zieregg. Als René Gabriel dem vor einiger Zeit 20/20 gab, habe ich nur den Kopf geschüttelt. Aber dieses Zeugs ist wirklich genial mit unglaublicher Mineralität, die viele große Burgunder in den Schatten stellt, mit perfekter Struktur einer finessigen Aromatik, in der die typischen Sauvignon Blanc Aromen sehr eindrücklich, aber perfekt balanciert rüberkommen. Das war Sauvignon Blanc Weltklasse – WT97. Davon muss was in meinen Keller.

Nach diesem gelungenen Auftakt ging es rein ins rote Vergnügen. Allerdings ging es bescheiden los. Beim 1950 Lynch Bages stimmte eigentlich nur die Farbe. Der war noch nie gut, hat sich aber nicht verschlechtert – WT83. Eine Klasse besser der 1953 Lynch Bages, reif, aber auch kräftig und rustikal in der Anmutung, Trockenfrüchte und etwas Bitterschokolade in der Nase, am Gaumen feine Süße und erstaunliche Eleganz – WT92. Erstaunlich hell die Farbe des 1955 Lynch Bages, der sich aber immer noch frisch mit guten Konturen zeigte, allerdings ohne die für diesen Wein sonst so typische Minze. Am Gaumen elegant, tänzerisch, burgundisch mit beachtlicher Länge, ein ein stimmiger, perfekt gereifter, großer Pauillac – WT95. Der 1959 Lynch Bages aus einer Händlerabfüllung wirkte zwar etwas streng mit deutlicher Säure, zeigte aber enorme Kraft und Substanz, dürfte sich noch lange auf recht hohem Niveau halten – WT94. Eine Klasse für sich 1961 Lynch Bages, den ich selten so gut im Glas hatte. Sehr kräftig, geradezu jung wirkend, nachhaltig mit viel Minze, gute Säure- und Tanninstruktur, enorme Länge am Gaumen – WT96.

Verdächtig rabenschwarz kam der 1950 Angelus aus einer französischen Händlerabfüllung ins Glas. Und der Verdacht bestätigte sich leider. Der Wein war komplett oxidiert und nur mit Widerwillen trinkbar. Dabei kann dieser Angelus so verdammt gut sein. Aber, ich kann es nicht oft genug betonen. Tiefe, ins Schwarze gehende Farbe ist bei einem alten Wein kein Qualitätsmerkmal sondern ein deutlicher Warnhinweis. Dafür war der 1953 Angelus in Topform und für mich der beste Wein dieser Serie. Sehr fein, sehr elegant, Richtung Cheval Blanc gehend, mit feiner Süße am Gaumen – WT96. Statt dem 55er, den ich als sehr guten Wein kenne, hatte die liebe Elke in der Aufregung vor der Probe gleich zwei 59er eingepackt. Die 1959 Angelus Händlerabfüllung mit dem Vermerk „livré en Barriques“ auf dem Etikett hatte deutlich zuviel Säure und war am Gaumen recht harmlos – WT88. Die 1959 Angelus Chateauabfüllung war ebenfalls kein Ruhmesblatt, zuviel Oxidation, säuerlich am Gaumen. 1959 Angelus ist ein sehr variabler Wein, bei dem man nur mit viel Glück richtig gute Flaschen erwischt. Gut gelungen dagegen 1961 Angelus, ein stimmiger Wein mit gutem Rückgrat und feiner, schmelziger Süße am eleganten Gaumen – WT94.

Und was dann kam, gehört zu den absoluten Höhepunkten im Leben eines Weintrinkers. La Mission Haut Brion gehört nicht nur zu den Superstars aus Bordeaux. Es ist auch eines der zuverlässigsten Chateaus selbst in kleinsten Jahren. Aber wenn dann von diesem Chateau die großen Klassiker ins Glas kommen, dann ist der Rotweinhimmel voller Geigen. Da punktete mit diesem herrlichen 1950 La Mission in einer deutschen R&U Abfüllung endlich auch mal Wineterminators Geburtsjahr. Intakt nicht nur die Farbe, klassisch La Mission und Pessac die Nase mit Tabak, Cigarbox, frisch aufgebrühtem Kaffee und malziger Süße, diese Süße dann auch wieder am durchaus noch recht kraftvollen Gaumen – WT98. Schwierig die Nase des 1953 La Mission, die deutlich oxidativ wirkte, doch prächtig der Gaumen mit enormer Kraft und betörender Eukalyptussüße, der Gaumen alleine locker WT96, mit besserer Nase wäre da noch deutlich mehr drin gewesen. Das kam dann mit dem schlichtweg perfekten 1955 La Mission bei dem von der altersfreien Farbe über die perfekte Pessac-Nase und den trotz enormer Kraft und Dichte erstaunlich eleganten Gaumen und die gewaltige Länge alles stimmte. Ein Wahnsinnswein zum „allen Nachbarn die Gläser klauen“ – WT100. Und das setzter sich so fort. Perfekt und schlichtweg ein Traum 1959 La Mission, der einfach alles von allem hatte – klare WT100. Das galt auch für den sehr kraftvollen, monumentalen 1961 La Mission, für mich wieder (wie schon so oft) klare WT100. René fand in diesem Wein einen Fehler und hat ihn nicht bewertet. War ich zu berauscht? Ich fand diesen Wein einfach gigantisch gut. Der einzige Fehler bestand für mich darin, dass in meinem Glas zuwenig war. Den mal zu zweit aus der Doppelmagnum, das wärs.

Wenn da ein Chateau mithalten konnte, dann war das Cheval Blanc. Und Cheval Blanc hielt mit, das war der helle Wahnsinn. Eine meiner bisher besten Flaschen des 1950 Cheval Blanc, Cheval in Perfektion, noch so vital und voll da, Traumfrucht, perfekte, einfach irre Nase, überhaupt nichts oxidatives, einfach nur Finesse und superbe Eleganz, ein perfekter, stimmiger Wein – WT100. Der 1953 Cheval Blanc wirkte etwas reifer als der 50er, war aber ebenfalls an Eleganz und Stimmigkeit nicht zu überbieten, einfach wieder großer, reifer Cheval Blanc, Cashmere für Gaumen und Seele – WT100. Für René Gabriel, der praktisch neben mir saß, waren beide Weine deutlich über den Höhepunkt und „vorbei“. Und warum hat er dann seine Gläser ausgetrunken und nicht in meine geschüttet? Lieber René, schick mir alles, was Du noch an 50 und 53 Cheval im Keller hast. Ich entsorge die Flaschen kostenlos durch meinen Gaumen und zahle auch das Porto. Du kannst gerne auch den 1955 Cheval Blanc mit dazu packen. Auch den fand ich außerirdisch gut und schlichtweg perfekt. Was für eine irre Nase mit wunderbarer, leicht portiger Frucht, was für eine Eleganz, Fülle und Länge am Gaumen, einfach Weltklasse – WT100. Da musste man erstmal Luft holen. Sechs absolut (für mich) perfekte Weine in einer Reihe, das war der helle Wahnsinn. Was für ein irres Fest für die Sinne. Für solch eine Serie würde ich um den halben Erdball fliegen. Und dann waren da noch zwei weitere Cheval Blancs. Der 1959 Cheval Blanc wirkte auf hohem Niveau etwas überreif (überlagert?) und etwas hohl am Gaumen – WT95. Sehr schön und immer noch sehr jung und kräftig wirkend der 1961 Cheval Blanc, kräuterig, füllig mit generöser Süße und guter Länge – WT96.

Down to Earth waren wir dann in der letzten Serie mit einem leider total oxidierten 1950 Vieux Certan. Etwas über den Höhepunkt dürfte der 1953 Vieux Certan gewesen sein, der aber bei aller Reife sehr weich, schmelzig und einfach „lecker“ war – WT94. Leicht gezehrt leider auch der normalerweise so großartige 1955 Vieux Certan, der aber immer noch mit viel Genuss zu trinken war – WT93. Auch der recht säurebetonte und gleichzeitig etwas „hitzige“ 1959 Vieux Certan konnte nicht voll überzeugen und wirkte etwas kurz am Gaumen. Versöhnlicher Abschluss dieser letzten Serie dann ein großartiger 1961 Vieux Certan, meine bisher mit Abstand beste Flasche dieses Weines. Immer noch recht junge Farbe ohne Reifetöne, wunderbare Nase mit schöner Fruchtund feinen Kräuternoten, am Gaumen feine Süße, schokoladige Fülle und ein langer Abgang – WT97.

Eine Bombenstimmung herrschte im Saal. Auch so eine Art Publikumswertung für eine sehr gelungene Probe. Aber wo hat man schon Sechs Richtige in Serie.