The 100 Tasting - 1940s

Zu einem seiner legendären 100s Tastings hatte der Gründer von Fine, Pekka Nuikki, nach Helsinki geladen. Thema waren die 40er Jahre. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, zumal es mein erster Trip nach Helsinki war. Die Probe erstreckte sich über zwei volle Tage. Über 100 Weine sind ja schließlich auch ein strammes Programm.

Standesgemäß wurden wir an Bord eines ehemaligen, finnischen Kriegsschiffes von Pekka Nuikkis Partner Juha Lithonen mit 1945 Bollinger aus einer 5 Liter Flasche begrüßt. Was für eine geniale Einstimmung auf diese Probe! Nach einer Bootsfahrt rund um Helsinki ging es dann zum ehemaligen Atelier des finnischen Malers Albert Edelfelt, wo wir den ersten Probentag verbrachten.

Mit 5 reifen Champagnern begann die Probe. Alte Champagner muss man mögen. Meist haben sie kaum noch Mousseux und präsentieren sich eher als Stillwein. 1945 Bollinger (die zweite Hälfte der 5 Liter Begrüßungsflasche) hatte immer noch eine helle Farbe. Erstaunlich frisch die Nase mit Gartenkräutern und etwas Honig, auch der Gaumen frisch mit gut balancierender Säure – WT93. Sehr gut startete der 1949 Roederer mit zwar reifer Nase und kräftigem Gelb, aber am Gaumen noch erstaunlichem Mousseux, doch leider war das eher ein Strohfeuer. Die deutliche Säure gewann mit der Zeit etwas die Oberhand und auch oxidative Töne stellten sich ein – WT90. Reife selbst muss ja kein Fehler sein. Das zeigte deutlich der 1949 Roualet-Crochet. Reife, ins Güldene gehende Farbe, reife leicht oxidiert wirkende Nase, aber am sehr generösen Gaumen ging die Post ab mit schöner Süße, Kaffeenoten und Toffee – WT94. Sehr hell hingegen die immer noch junge Farbe des 1949 Mercier. Da war noch deutliches Mousseux nicht nur im Glas, sondern auch am Gaumen. Noch so frisch wirkte dieser sehr mineralische Champagner, dazu nussig mit Brioche, einfach große Klasse – WT96. Da kam der 1947 Moet & Chandon Brut Imperial mit seiner tiefen, ins grünliche gehenden Farbe nicht mit. Vegetale Gurkennase, auch am Gaumen gemüsig wirkend ohne Spannung mit Sherrynoten, wurde mit Luft etwas süßer und im Gemüse tauchte etwas Kaffee auf, aber Freude stellte sich keine ein – WT83.

Aus Bordeaux vom linken Ufer bestand der erste Rotweinflight. Reif die Farbe der 1947 Pichon Longueville (Comtesse) in einer französischen Händlerabfüllung von Schröder & Schyler mit deutlichem Braunrand. In völligem Gegensatz dazu der immer noch recht vitale Wein selbst. Süß, generös und elegant die burgundische Nase, immer noch mit feiner, rotbeeriger Frucht, auch am Gaumen feine Süße, etwas kurz der Abgang – WT94. Der 1947 Pichon Baron in einer französischen Händlerabfüllung von Henri Dedenis hatte die bessere, tiefere Farbe, aber das war es dann auch. Korkig wirkend die Nase mit deutlich oxidativen Noten, am Gaumen mehr Essig als Wein – WT80. Eine sehr schlechte Flasche musste der 1948 Lynch Bages gewesen sein. Trüb und schlammig die Farbe und so roch und schmeckte diese oxidierte Weinleiche auch – WT60. Lust machte die süße, generöse, speckige Nase des tief dunkelrotbraunen 1946 Leoville las Cases in einer französischen Händlerabfüllung, nur konnte der eher leicht gezehrte, ziemlich freudlose Gaumen dieses Versprechen nicht einlösen – WT80. Reif die Farbe des 1945 Montrose in einer Händlerabfüllung mit dunkelrotem Kern, irritierend die an Waldmeister-Brausetütchen erinnernde Nase, zu der immer mehr gärender Apfel kam, auch am Gaumen ziemlich daneben – WT82. Der war schon ernüchternd, dieser Flight. Sollte das jetzt hier in eine anstrengende Arbeitsprobe ausarten?

Tief die Farbe des 1947 Marques de Riscal Reserva, mineralisch die Nase, schlank am Gaumen, baute mit Luft eher leicht ab – WT91. Extrem hell die Farbe dessen, was vom 1943 Barolo Monfortino Riserva von Giacomo Conterno noch übrig war. Eine alte Monfortino-Krankheit plagte diese Flasche: Farbausfällung. Es blieben eine etwas spritige, portige Nase und am Gaumen sehr trockener Sherry Fino. Eigentlich darf man als Gastgeber solch eine Flasche nicht ausschenken, denn mit Monfortino hat sie nichts mehr zu tun. Eine schlechte Flasche auch der 1949 Imperial von CVNE. Helle, bräunliche Farbe, oxidierte, maderisierte Nase, nur am Gaumen noch verhaltene Süße – WT80. Ein Lichtblick der 1944 Vega Sicilia Unico, tiefe Farbe mit intaktem, rotem Kern, generöse, süße Nase, schöne Fülle am Gaumen – WT92. Sehr reif die Farbe des 1947 Vega Sicilia Unico, sehr reife, weitgehend oxidierte Nase, am gefälligeren Gaumen dezente Süße, aber auch etwas spitze Säure – WT87.

1949 Latour-à-Pomerol in einer Händlerabfüllung kam mit Pferdeschweiß und Tabak in der Nase ins Glas, wozu mit der Zeit immer mehr rotbeerige Frucht kam. Am Gaumen war dieser mineralische Wein sehr balanciert mit gutem Säuregerüst – WT94. Portig wirkte die Nase des 1947 Latour. Am Gaumen kühle Eleganz, Mineralität, Minze und immer noch gutes Tanningerüst. Da könnte mit den Jahren noch mehr kommen – WT94+. Statt Port hatte der 1940 Margaux in der Nase altes, überlagertes Gemüse und kalten Rauch, wurde mit Luft nur marginal besser und wirkte auch am Gaumen leicht oxidiert – WT86. Der 1944 Gruaud Larose konnte nur mit der kräftigen Farbe punkten. Die Nase war absolut charmefrei, der Gaumen langweilig und monolithisch – WT84. Der 1947 Haut Brion hatte eine intakte Fabe mit rubinrotem Kern, in der Nase Cigarbox und kalter Zigarrenrauch, entwickelte leider einen immer stärker werdenden, korkähnlichen Fehlton. Schade, das hätte ohne den Fehlton ein großer wein sein können – WT89.

Aus Burgund müssen es bei reifen Burgundern nicht die großen Namen sein. Ein 1947 Hospice de Beaune Savigny-les-Beaune Cuvée Forneret abgefüllt von Pierre Ponelle war war etwas verhalten in der Nase, aber am Gaumen weich, gefällig, sehr stimmig und elegant mit gutem Säuregerüst – WT94. Nichts mehr los dagegen beim 1947 Chambolle Musigny von Roger Lafage, leicht schweißig-stinkige Nase, immer mehr kalte Waldpilze, am Gaumen ungenerös und säurelastig – WT82. Gute Frucht hatte der 1945 Pommard von Antonin Rodin in der Nase, aber auch eine leicht seifige Note, am Gaumen ganz ok mit guter Säure, aber für das große Jahr enttäuschend – WT88. Deutlich besser hätte auch der 1945 Chambolle Musigny Vieilles Vignes 1er Cru von Grivelet sein müssen. Reife Farbe, in der Nase leicht „over the hill“, auch am Gaumen etwas oxidiert, säurelastig und bitter im Abgang – WT90. Hell war die reife Farbe des 1947 Bonnes Mares von Maurice Gard. Traumhaft generöse, reife Burgundernase, am Gaumen sehr schmelzig mit guter, balancierender Säure – WT95.

Ein sehr feiner, balancierter Burgunder mit pikanter, rotbeeriger Frucht war der 1946 Musigny von Comte de Vogüe – WT92. Der 1947 Musigny von Pierre André hingegen war einfach nur fürchterlich und hin. Zu vielen Diskussionen führte der 1947 Musigny von Liger-Belair. Sehr kräuterig, ein Schuss Coca Cola, Eukalyptus und Minze. Wurde der erste Heitz Martha´s Vineyard in Burgund gemacht? Geiles Zeugs, locker auf WT95 Niveau, aber nach Burgund schmeckte das nun wirklich nicht. Sehr jung wirkte auch der 1949 Hermitage-la-Chapelle von Jaboulet Ainé, dicht und kräftig, nicht nur in der Farbe, etwas rustikal, sehr lakritzig im Abgang, baute enorm im Glas aus – WT92. Ein feiner, eleganter Burgunder, reif und elegant mit viel Schmelz war der 1941 DRC La Tâche – WT92. Nach alter Pappe hingegen roch der 1946 DRC Grands Echezeaux, der sich schon weitgehend verabschiedet hatte – WT70.

Nach 30 Weinen verabschiedeten wir uns in eine Pause. Als wir am Abend zurückkehrten, war neben einem großen Menü Klaviermusik durch Pekka Nuikkis Lebensgefährtin nebst diversen Gesangseinlagen durch eine Opernsängerin angesagt. Ob das den Weinen jetzt den nötigen Schwung verlieh?

Großes Kino war gleich der erste Wein, ein 1947 Meursault Charmes Vandermeulen. Würzig, mineralisch, nussig, noch so jung und kraftvoll mit gewaltiger Länge – WT96. Der 1947 Chateau La Tour Cissag in einer französischen Händlerabfüllung von Lafage hingegen war klein, kurz aber trinkbar – WT85.

Was dann kam, hätte der Höhepunkt der gesamten Probe sein können. Die erste Flasche 1945 Mouton Rothschild (links im Bild) enthielt einen sehr guten, jungen, kräftigen Wein (WT93), der aber mit 45 Mouton nichts zu tun hatte. Unser Gastgeber sprach selbst von einem Fake und öffnete spontan eine zweite Flasche (rechts im Bild). Tiefe Farbe, Minze, Kraft, Dichte, aber das für diesen Wein typische Eukalyptus und das Aha-Erlebnis fehlten. Unsere brasilianischen Freunde, die vier Wochen vorher in einer Probe eine authentische Flasche genossen hatten, brachten es auf den Punkt. Auch das ein sehr guter Wein (bei mir sogar WT96), aber bestimmt kein 45 Mouton.

Enttäuschend – wenn er denn echt war – ein 1947 Petrus aus einer Händlerabfüllung, der schon deutliche Altersnoten zeigte und den immensen aromatischen Druck vermissen ließ, der diesen Wein sonst auszeichnet – WT92. Ein absolutes Kuriosum dann der 1947 Cheval Blanc in ein großartigen Chateauabfüllung. Der hatte Süße, Kraft, Fülle und Struktur – nur keinen Korken. Nein, der Korken war nicht in die Flasche gefallen, da war einfach keiner drin! Ist mir noch nie vorgekommen, aber Raritätenhändler Jan Paulson klärte uns auf, dass das früher schon mal in seltenen Fällen passieren konnte. Ich kann es immer noch nicht begreifen, noch weniger, dass die Kapsel so lange absolut dicht gehalten hat. Letztendlich wäre das ja der Beweis dafür, dass Wein auch ohne Korken, also z.B. mit einem Schraubverschluss, gut altern kann. Der Cheval jedenfalls schien authentisch und war absolut großartig. Ich habe ihn mit WT98 bewertet.

Sehr jung wirkte noch der 1947 l´Evangile, ein feiner, eleganter, druckvoller Wein, der enorm im Glas ausbaute – WT96. Absolut großartig der 1945 Latour. Das war ein klassischer, großer Latour wie er im Bilderbuch steht mit großartiger Struktur. Mit seinem immer noch sehr deutlichen Tanningerüst hat dieser Riese seinen Höhepunkt noch vor sich. Heute WT97+, in 10-20 Jahren vielleicht WT100. Jede Suche und jede Sünde wert! Da ließ sich dann auch der 1947 Lafleur in einer belgischen Händlerabfüllung verschmerzen, der „DOA“ ins Glas kam, dead on arrival, und so Diskussionen über seine Echtheit erübrigte und das seltsame Etikett mit dem ziemlich neuwertigen Kleber.

Dreimal Weiß war jetzt zwischendrin angesagt, wahrscheinlich, weil es jetzt gut zum Menü passte. Eine sensationelle Ausnahmeflasche war der 1947 Montrachet von Thevenin, immer noch helle, deutlich jünger wirkende Farbe, perfekte Struktur und Finesse, feine Extraktsüße und hohe Mineralität, langer Abgang – WT97. Erstaunlich frisch immer noch auch die 1945 Bechtheimer Hasensprung Auslese von Pieroth mit dichter Farbe, Kumquats ohne Ende, inzwischen eher harmonisch trocken wirkend und sehr balanciert – WT94. Nix los hingegen beim 1949 Chateau Le Pape „Grand Vin de Grave“, der ziemlich alt und etwas stinkig wirkte – WT83.

Wie entscheidend bei alten Weinen der jeweilige Flaschenzustand ist, zeigte deutlich der 1941 DRC Richebourg, der den La Tâche des gleichen Jahrgangs vom Nachmittag locker in den Schatten stellte. Ein sehr feiner, gut gereifter und absolut stimmiger Burgunder mit schöner Süße und feinem Schmelz – WT95. Etwas zwiespältig der 1943 Calon Ségur, der auf der einen Seite Altfassnoten zeigte, auf der anderen aber auch eine schöne Süße – WT90. Wie so viele weine aus 1943, dem wohl besten der schwierigen Kriegsjahrgänge, hatte er wohl zu lange im in der Regel gebrauchten Fass gelegen. Kein Winzer hatte damals Lust, seine Weine so rasch abzufüllen, dass sich die deutsche Wehrmacht noch bedienen konnte. Leichtgewichtig und nicht sehr dicht der 1943 Cheval Blanc aus der Magnum, Pflaumenmus in der Nase, am Gaumen sehr fein und elegant mit schöner Süße – WT90.

Gleich zwei Enttäuschungen im nächsten Flight. Korkig der 1947 Cos d´Estournel in einer Händlerabfüllung, schlichtweg hinüber 1946 Margaux aus der Magnum. Eine superdichte Farbe hatte der sehr konzentrierte, kräftige 1947 Ausone, aber die eigentlich zu dichte Farbe zeigte er ein Problem dieses sonst großartigen Weines an, nämlich die schon deutliche Oxidation – WT92. Wenn Sie also auf Auktionen oder sonst wo einen älteren Wein finden mit einer undurchsichtigen, schon fast ins Schwarze gehenden Farbe ohne klaren roten Kern, dann besser Hände weg. Sonst erwerben Sie statt eines Riesen ein oxidiertes Monster. Diese einfache Sichtprüfung mit einer starken Taschenlampe sollte bei seriösen Auktionshäusern zum Standard gehören. Sehr elegant, fein und mit generöser Süße der 1945 Leoville las Cases – WT93.

Eine schlechte Flasche leider der 1943 Latour, trüb, oxidativ, metallisch wie aus der Blechdose – WT83. 1949 Gruaud Larose geht besser, aber auch deutlich schlechter. Von allen getrunkenen Flaschen lag diese hier im Mittelfeld, immer noch recht altersfrei, stimmig und sehr schön zu trinken – WT91. Erstaunliche Frische zeigte die sehr elegante, finessige 1942 Pichon Comtesse mit feiner, generöser Süße, da dürfte aus guten Flaschen wie dieser die Musik noch länger spielen – WT94

Im abschließenden Süßweinflight konnte sich der bräunlich-helle 1948 Massandra White Port mit seiner gewaltigen Struktur und der guten Süße gut gegen die intensiven Käse durchsetzen, gefiel mir ausnehmend gut – WT95. Von 1947 Coutet Vandermeulen konnte ich das nicht unbedingt behaupten, aufgesetzt wirkende Candy Store Süße und erste Spuren von Nagellackentferner, muss man sich nicht merken – WT83. Perfekter Abschluss dagegen der 1947 Niepoort Vintage Port. Das war großer Port, wie ich ihn liebe, kraftvoll mit schöner Süße und gewaltiger Länge, dabei absolut balanciert und ohne spritige Noten – WT96.

Der nächste Tag begann wieder mit einer wunderbaren Schiffstour. Wurden wir gestern mit einem Kriegsschiff rund um Helsinki geschippert, so stand heute die Fahrt mit einer fantastischen 66 Fuß Luxusyacht an. Auf einer langen, sehr schönen Fahrt durch die Schären brachte sie uns zu einem ehemaligen Gästehaus der finnischen Staatsregierung, das malerisch in einer Bucht am Wasser lag. Dort wartete Pekka Nuikki schon mit dem Apero, einer 1947 Pol Roger Magnum. Reif die Farbe, kein Mousseux mehr, immer noch gut trinkbar und durchaus spannend. Von der Aromatik her war das perfekt gereifter „Apfelsaft“ – WT90.

Unsere Gruppe bestand aus erfahrenen Weinfans aus aller Herren Länder. Raritätenhändler Jan Paulson war ebenso dabei wie große Weinsammler aus Brasilien und Indien. Sogar einen der erfolgreichsten Wintersportler aller Zeiten mit fünf Olympischen Goldmedaillen durften wir zu unserem Kreis zählen.

Zunächst stärkten wir uns mit einem leichten Lunch. Dazu gab es zur freien Verfügung 11 Weine aus den 40ern. Ich habe natürlich meiner Chronistenpflicht genüge getan und in alle 11 meine Nase gesteckt. Sehr gut zu trinken war der weiche, generöse 1947 Bel-Air 1er Cru Pomerol, der keinerlei Alter zeigte – WT90. Sehr schwierig und ziermlich oxidiert der 1949 Lafitte Camblanes aus Premières Cotes de Bordeaux – WT78. Deutlich besser kenne ich den mehrfach mit bis zu WT97 getrunkenen 1947 Barolo Borgogno Riserva, der hier nur so gerade als passabel durchging – WT87. Etwas besser mit heller Farbe, sehr balanciert mit süßer Frucht der 1945 Barolo Fontafredda – WT89. Sehr kräftig, aber schon leicht oxidiert der 1949 Barolo Antichi Poderi die Marchesi di Barolo – WT85. Immer noch gute Frucht zeigte der altersfreie 1945 Larcis Ducasse – WT89. 1943 Clos Trottevieille hatte wieder diese sehr dichte, junge Farbe, war aber mehr alter, trockener Balsamico als Wein – WT81. Der 1942 Pommard von Patriarche war noch trinkbar, aber schon ziemlich gezehrt – WT82. Ein kleiner, aber feiner Burgunder der 1949 Nuits von Pierre Nesme – WT86. Erstaunlich gefällig der 1948 RaunenThaler Großenstück Riesling naturrein von den Staatsweingütern Eltville, dessen frühere, wohl nicht unerhebliche Restsüße immer noch spürbar war – WT87. Sehr würzig, kräftig und zeitlos schön der 1948 Oestricher Gottesthal Spätlese von Anton Siepchen – WT90. Eigentlich brauchte man keinen dieser Weine, zumindest nicht in einer Probe mit so hohem, elitärem Anspruch. Aber irgendwie musste die Zahl von 100 Weinen ja voll werden.

Weiter ging es dann nach dem kleinen Lunch mit einem aus fünf Flights bestehenden, weiteren Tasting.

Eine reife Farbe hatte der 1948 Pommard von Roger Viard. Nicht die frischeste aller Nasen, viel Pilze, Waldboden, auch am Gaumen leicht gezehrt, Bitternote im Abgang, baute mit der Zeit ab – WT87. Eine sehr dichte, junge Farbe hatte dagegen der 1940 Romanée St. Vivant Les Quattres Journaux von Louis Latour, enorm kraftvoller, geradezu jugendlicher Auftritt, aber auch die Kaffeenote reifer Burgunder, gewaltige Länge am Gaumen, legte im Glas immer mehr zu – WT94. Deutlich gealtert hingegen der 1949 Romanée St. Vivant von Morin mit sehr reifer Farbe, portig-süßer Nase, am Gaumen eher trockener Port, aber auch viel Oxidation, hätte aus diesem großen Burgunderjahr deutlich besser sein müssen – WT88. Etwa so, wie der großartige 1948 Romanée St. Vivant von Noellat im Nachbarglas. Der hatte eine kräftige Farbe, eine feine, schmelzige Nase, auch am Gaumen süßer,, burgundisch feiner Schmelz ohne Ende mit viel Kaffee, aber auch noch Frucht und insgesamt noch recht jung wirkend – WT96. Eine kräftige Farbe mit deutlichen Reifetönen hatte der 1949 Chambolle Musigny 1er Cru von Grivelet, ein in Ehren gereifter, sehr gut trinkbarer Burgunder – WT91. Schier ausgeflippt bin ich beim letzten Wein des Flights, der mich an große Vandermeulen-Burgunder erinnerte. Kräftig und dicht die Farbe, aber keinerlei Oxidation, eine einfach geile, süchtig machende Nase mit viel Kaffee, Mokka und dekadenter Süße, was sich nahtlos am Gaumen und im langen Abgang fortsetzte. Darf man einem stinknormalen 1949 Savigny von Champeval & Boullion, also einer Negociant-Abfüllung WT98 geben? Man darf nicht nur, man muss! Das ist das schöne bei alten Burgundern. Da kann man durchaus für kleines Geld riesengroße Weine finden. Man muss halt nur in Kauf nehmen, dass dann in so einem mixed Lot wie beim Losverkäufer auf der kirmes auch reichlich Nieten drin sind.

Alle Weine des nächsten Flights waren Händlerabfüllungen. 1949 Pavie in einer Bordelaiser Händlerabfüllung von Philippe Raymond hatte eine superdichte Farbe, aber auch Oxidation, entwickelte sich aber im Glas und kämpfte sich stückweit aus der Oxidation zurück – WT92. Diese Abfüllung hatte ich schon zweimal im Glas, einmal 2011 auf Schloss Loersfeld mit enttäuschenden WT90 und zuletzt in diesem Frühjahr auf einer Best Bottle mit perfekten WT100. Auch die Chateauabfüllung dieses Weines hatte ich schon mehrfach mit WT100 im Glas. Schwierig zu Anfang die Nase des 1949 Cheval Blanc, am Gaumen frische, rotbeerige Frucht, sehr gute, balancierende Säure, baute enorm im Glas aus und legte weiter zu – WT96. Eine Traumfarbe und eine perfekte Nase hatte der 1947 La Conseillante in einer Bordeaux-Abfüllung von Moreau. Superbe Frucht, so stimmig und balanciert mit feiner Süße und ewigem Abgang, hier waren einfach die WT100 fällig. Reif der 1948 Cos d´Estournel in einer Nicolas-Abfüllung, viel Champignons in der Nase, auch am ebenfalls sehr reifen Gaumen, dazu oxidative Noten, gehört getrunken – WT90. Reif, weich, aromatisch der 1948 Leoville Barton – WT92.

Wenn alte, spanische Riojas von CVNE aus guter Lagerung stammen, dann gehören sie zu den Preis-/Leistungssiegern. So dieser 1940 Vina Real von CVNE, der mit Superfarbe und sehr aromatischer Nase brillierte. Die massive Säure am Gaumen verlieh im Frische und garantiert noch eine längere Zukunft – WT96. 1947 Pavie aus einer Händlerabfüllung war sehr stimmig und balanciert mit traumhafter Süße und gutem Rückrat für eine längere Zukunft, baute sehr gut im Glas aus, das leider bei WT96+ leer war, da hätten mit der Zeit noch 1-2 Punkte dazu kommen können. Alte Pavies aus guter Lagerung sind jede Suche wert. Die Weine hatten schon damals die große Klasse, die sie heute seit 1998 wieder zeigen. 1945 Canon in einer Sanders-Abfüllung hatte eine gute, gesunde Farbe, wirkte aber etwas hohl, astringierend und abweisend – WT86. Der 1947 Ducru Beaucaillou aus einer etwas seltsamen Flasche hatte eine ältere, trübe Farbe, aber durchaus auch noch Süße, charme und burgundische Eleganz, doch störte die hohe Säure am Gaumen – WT87. Kräftig und rustikal mit bissiger Säure war der 1943 Chateauneuf-du-Pape von Jaboulet-Ainé – WT92.

Der nächste Flight startete mit einer weiteren Flasche des 1947 Musigny von Liger-Belair. Medizinale Zahnarztnase, der Gaumen noch schlimmer, einfach nur fürchterlich. Da war mir sdie „Heitz-„Version vom Vortag deutlch lieber. Eine gute, voll intakte Farbe hatte der 1949 DRC Grands Echezeaux, dazu eine sehr feine, gefällige, immer noch von schöner Frucht gepprägte Nase, am Gaumen enorme Kraft. Ein Pinot der etwas kräftigeren Sorte mit noch viel Zukunft – WT95. Reif und auf dem Punkt oder schon leicht drüber der 1948 Richebourg von DRC, zumindest schien es erst so mit bräunlich-reifer Farbe und reifer Nase. Doch dann explodierte dieser Wein förmlich im Glas. Die Reife blieb, aber mit der Pracht und Fülle eines großen Burgunders, so hoch elegant, so verführerisch süß und schmelzig, so ewig lang. Da ist einfach jedes Glas zu klein – WT97. Gewaltiges Potential hat noch der 1949 Musigny Vielles Vignes von Comte de Vogüe, ein perfekt balancierter, hoch eleganter Wein mit gewaltigem, aromatischem Druck und guter Länge, wirkte zwischen den beiden Richebourgs fast etwas filigran – WT95+. Ein Hammerteil dann der 1949 Richebourg abgefüllt für die Chevaliers du Tastevin, der mich mit der kräuterig-lakritzigen Nase, der enormen Kraft und Länge und der guten Süße eher an die Rhone erinnerte – WT97.

Mit einem Traumflight endete dieser Probenteil. Extrem dicht die Farbe des 1945 Latour-à-Pomerol, aber leider auch hier oxidative Noten – WT93. Einfach sprachlos machte der perfekte 1945 Haut Brion. Das war Haut Brion vom Allerfeinsten, ein Wein, bei dem von der klassischen Nase über den Gaumen bis zum unendlichen Abgang einfach alles stimmte – WT100. Der sehr süße, intensive, mineralische 1947 La Mission Haut Brion mit seiner gewaltigen Struktur und irren Länge musste sich dahinter nicht verstecken – WT99. Nie begeistern konnte ich mich bisher für 1945 Cheval Blanc. Das änderte sich mit dieser Flasche, so ein kräftiger, aromatischer, druckvoller, großer Cheval ohne die flüchtige Säure, die bei vielen Flaschen dieses Weines stört – WT97. Sehr gut gefiel mir auch 1948 Petrus, der zwar nicht die Süße und den unendlichen Schmelz der 47er zeigte, aber mit dichter, immer noch jung wirkender Farbe und großartiger Struktur als so eine Art „Petrus vom linken Ufer“ zeigte, das er noch eine gute Zukunft hat – WT96. Und dann war da dieser schier unglaubliche 1949 Lafite Rothschild aus einer 1983 neu verkorkten Flasche. Den hatte ich noch nie auch nur annähernd so gut im Glas. Ein kompletter, großer, finessiger und stimmiger Lafite mit aristokratischer Struktur, sehr mineralisch mit feiner Süße und endlosem Abgang. Der bekam von der kompletten Runde die Maximalwertung, klare WT100. Ein Traumflight war das, der so manche Weinuntiefe, durch die wir durch mussten, vergessen ließ.

Nach einer schöpferischen Pause unter der nördlichen Abendsonne ging es weiter mit dem Abendessen und dem letzten Teil der Probe. Aus einer Traumflasche kam 1947 Montrachet Vandermeulen ins Glas, ein perfekter, großer Burgunder, zwar mit schon ins Güldene gehender, reifer Farbe, aber immer noch so vital. Nussig, mineralisch, sehr dicht und komplex mit enormem Tiefgang und lang am Gaumen – WT97. Höchst erstaunlich auch der 1941 Corton Charlemagne von P.A. André, der, noch dazu für dieses schwierige Kriegsjahr, eine erstaunliche Frische zeigte und eine hohe Mineralität mit viel Feuerstein – WT93. Im dritten Glas eine Legende aus Deutschland, die 1949 Wehlener Sonnenuhr Auslese von JJ Prüm. Bienenwachs ohne Ende, immer noch schöne Frucht und feine Süße, durch gute Säure balanciert, hohe Schiefermineralität, blieb ewig am Gaumen – WT97.

1949 Cos d´Estournel in einer deutschen Erdmann & Köhler Abfüllung hatte eine sehr elegante, feine, fruchtige Nase. Am Gaumen war er reif, weich mit seidiger Eleganz, aber auch noch spürbaren, reifen Resttanninen – WT95. Beim 1946 Cos d´Estournel in einer Nicolas Abfüllung stimmte nur die erstaunlich junge Farbe, der Rest war belanglos und wurde durch einen nicht gerade angenehmen, metallischen Stinker gekrönt – WT87. Süß, füllig, einfach sexy und altersfrei der 1949 Beychevelle – WT93.

Absolut überzeugend 1949 Gaffelière-Naudes in einer belgischen Thienpoint-Abfüllung, dieser Cheval Blanc für Schlaue. Jung immer noch die Farbe, sehr elegant, aber auch mit Kraft, Struktur und Länge, feine Süße und ein immer noch stabiles Tanningerüst für eine längere Zukunft – WT96. Ob der 1945 Montrose jemals reif und groß wird? Aus unserer Flasche hier wirkte er schlank, fruchtig und etwas monolithisch mit hoher Säure und immer noch kräftigen, etwas harschen Tanninen – WT91. Als Ersatz für einen korkigen Langoa Barton brachte unser Gastgeber dann noch einen 1942 Mouton Rothschild aus der Magnum. Wie schön, dass der Langoa korkig war! Voll da und animierend war dieser Mouton, würzig, immer noch fruchtig und mit guter Länge – WT93.

Weich, balanciert, aromatisch und mit schöner Süße der 1943 Massandra White Port, der Alkohol gut verpackt und kaum spürbar – WT93. Kräftig und süß, aber nicht sonderlich elegant war der 1943 Almeida Vintage Port – WT92. Reif mit güldener Farbe war der 1948 d´Yquem, der sich für das schwierige Sauternes-Jahr erstaunlich schön trank – WT93.

Und nach der Probe ist natürlich vor der Probe. Im nächsten Jahr plant Pekka Nuikki ein 100s Tasting mit dem Thema 70er. Was sich zunächst grausam anhört, könnte mit den richtigen Weinen sehr spannend werden. Auch in der für den europäischen weinbau eher dunklen Jahreszeit gab es eine Reihe herausragender Gewächse. Große Kalifornier aus 74, 75 und 78, große Burgunder aus 71, Bordeaux-Legenden z.B. aus 75. Nur kommt man so einfach nicht auf diese Probe, auch wenn sie eine Menge Geld kostet. Wer Interesse hat wendet sich bitte an den Raritätenhändler Jan Paulson.