Haut Brion tut Gut(es)

Eine Art Charity-Probe war das, zu der im Januar in D´Vine geladen wurde. Ein nobler Spender und Weinsammler öffnete seine Schatzkammer und bat als Ausgleich um eine ansehnliche Spende zugunsten eines medizinischen Fördervereins. Ein fairer Deal. So tat Haut Brion, der Thema dieser spannenden Verkostung war, nicht nur gut. Haut Brion tat auch Gutes.

Zum ersten Gang eines feinen Menüs aus der D´Vine Küche starteten wir mit vier Weißweinen. Im ersten Glas leider gleich eine riesige Enttäuschung, 2001 Haut Brion Blanc. 2006 auf René Gabriels großer Haut Brion Probe hatte ich noch notiert: jugendlich frisch mit viel primärer Frucht, Limone, etwas Cassis, Minze, am Gaumen vielleicht nicht ganz so konzentriert, aber auch komplex mit viel Länge, steht noch ganz am Anfang - 94+/100. Und jetzt? Sehr reife Farbe, deutlich oxidativ, Frucht Fehlanzeige, nur Kraft hatte er noch reichlich. Kann ein mal gerade 14 Jahre alter Haut Brion Blanc so schlecht sein? Fehler hatte die Flasche, die aus sehr guter Lagerung stammte, keinen. Der Inhalt war nur einfach verdammt alt – WT84. Deutlich frischer mit schöner Frucht und guter Säure der 2002 Pape Clement Blanc, der sich im Glas gut entwickelte und dabei nussiger wurde und immer noch von Röstaromatik geprägt war – WT92. Der 2006 Smith Haut Lafitte Blanc zeigte sich wieder so, wie ich ihn kenne. Sehr kräftig und einfach zuviel Holz, gegen das sich die Frucht verdammt schwer tat. Große Freude kam so nicht auf – WT89. Und dann war da noch von Mouton Rothschild der 2009 Aile d´Argent. Modern, holzlastig, langweilig und ausdruckslos – WT86. Schade, dass der nicht Mouton Rothschild Blanc heißt, dann hätten wenigstens die Etikettentrinker ihre Freude dran gehabt.

Dann wurde es endlich rot im Glas, und wie bewegten uns in einer ganz anderen Sphäre. Sehr elegant war der 1975 Haut Brion mit Tabak, Cigarbox, ätherischen Noten, ein Hauch Eukalyptus, sehr mineralisch, gute Säure und absolut stimmig, meine bisher beste Flasche dieses Weines – WT94. Große Diskussionen gab es bei 1978 Haut Brion. Hatte der Kork oder nicht? Für mich war das eindeutig Kork. Schön, dass es noch eine zweite Flasche gab. Aus der war dieser Haut Brion besser, aber auch nicht gerade groß. Ein mineralischer, sehr reifer Wein, jodig, metallisch und auch etwas muffig, der deutlich über den Höhepunkt schien – WT88. Aus der ersten Flasche kämpfte sich der 78er stückweit zurück. Doch kein Kork? Aber das war nur ein kurzes Aufbäumen. Aus nasser Pappe wurde wieder richtiger Kork. Nein, kein Glanzlicht, dieser 78er Haut Brion, bei dem es wohl deutliche Flaschenvariationen gibt. Doch für all das entschädigte im dritten Glas der 1985 Haut Brion, der sich wieder im Bestzustand zeigte. Ein perfekt (an)gereifter, großartiger Schmuse Haut Brion mit der klassischen Cigarbox-Aromatik, mit schöner Süße, so seidig und elegant, aber auch mit sehr druckvoller Aromatik – WT96. Dürfte sich auf diesem Niveau noch länger halten und ist jede Suche wert. Langfristig der größere Wein könnte der kernige, kräftige 1986 Haut Brion werden. Der war jung, kraftvoll, mineralisch, teerig, erdig, rauchig, täuschte mit der klassischen Cigarbox-Aromatik Zugänglichkeit vor, aber das mächtige Tanningerüst verspricht noch eine lange, sehr spannende Entwicklung - 95+/100.

Und dann kam das Highlight des Abends, 1961 Haut Brion aus der Magnum. Sichtlich entspannt unser Gastgeber nach dem ersten Probeschluck. Das war keine gute Magnum, das war eine sensationell gute Magnum, einfach Perfektion. Solch einen Jahrhundertwein in großen Schlucken aus einem gut gefüllten Glas trinken zu dürfen, das war einfach ein Traum. Keinerlei Alter oder Runzeln, Haut Brion wie es besser nicht geht mit unglaublichem Tiefgang. Worte können einem solchen Wein und diesem einmaligen Erlebnis kaum gerecht werden. Das waren klare WT100.

Großes Potential sehe ich auch bei 1988 Haut Brion, die Tannine noch etwas massiver und bissiger als beim 86er, aber auch hier gewaltige Substanz, entwickelte sich im Glas nur im Schneckentempo – WT94+. Seinen Widerpart fand er im dazu gestellten Piraten, einem 1988 Petrus. Auch der braucht wie der Haut Brion sicher noch gut 10 Jahre um zu zeigen, was er drauf hat. Und wie beim Haut Brion spürbare Substanz und ein großes Muskelpaket etwas bissiger Tannine – WT93+.

Sehr spannend dann der Vergleich von 1989 Haut Brion und 1990 Haut Brion. Der 89er wurde seiner Rolle als moderne Haut Brion Legende voll gerecht. In der letzer Zeit hatte ich häufiger den Eindruck, dass er sich wieder verschließt, aber aus dieser Flasche hier war er voll da und explodierte förmlich im Glas. Ja, auch das waren klare WT100. Und das schönste daran: diese Galavorstellung läuft für die, die davon genug im Keller haben, sicher noch 3-4 Jahrzehnte, vielleicht auch länger. Dicht auf den Fersen ist dem 89er der 90er. Auch das ein Wein mit gewaltigem Potential, der sich an diesem Abend deutlich feiner, eleganter und reichhaltiger zeigte – WT97.

Mit einem Power Trio endete diese Haut Brion Verkostung. 1995 Haut Brion wirkte immer noch sehr jung mit pikanter, rotbeeriger Frucht, rauchig mit Tabak, Cigarbox und teeriger Mineralität, am Gaumen dicht, kräftig mit mächtigen Tanninen und viel Säure, aber auch erstem Charme – 94+/100. Aus wärmerer Lagerung kann man da an diese jüngere Version des 85ers sicher schon dran gehen. Besitzer kühlerer Keller packen die Kiste für die nächsten 10 Jahre nach ganz hinten. Das gilt umso mehr auch für den sehnige, muskulösen 1996 Haut Brion, der als modernere Version des 86ers durchgeht, nicht ganz so bissig mit wunderschöner Frucht – WT95+. Mit 2000 Haut Brion kam dann eine weitere Haut Brion Legende im Werden ins Glas. Ich bin großer Fan des Jahrgangs 2000, für mich ein echter Jahrhundertjahrgang und vielleicht der letzte, richtig klassisch große Bordeaux-Jahrgang. Und hier gehört Haut Brion mit zur Spitze. Dabei zeigt er sich bei aller Kraft und bei allem aromatischen Druck schon erstaunlich offen und geradezu charmant – WT99. Und die 100 macht er in 5-10 Jahren auch noch voll.

Als Abschluss eines sehr schönen Abends gab es aus halben Flaschen noch 1997 d´Yquem. Der zeigte verschwenderische Süße, wirkte erstaunlich offen, aber das täuschte. Dieser potentiell große Yquem kann deutlich mehr, braucht dafür aber sicher noch eine Weile. Yquem macht Spaß in der Jugend und im Alter. Aus ersterer ist er raus, für das Alter braucht er noch eine Weile. Nicht, das der jetzt keinen Spaß macht, aber da kommt noch deutlich mehr – WT94+.