The Rewards of Patience - Geduld wird belohnt

The rewards of patience – Geduld wird belohnt

In kleiner, feiner Runde haben wir uns Ostern gegenseitig mit Raritäten aus unseren Kellern verwöhnt.

Fabelhafter Einstieg war die „Hermannshöhle aus Fläsch“, ein 2016 Gantenbein Riesling. Immer noch so jugendlich wirkend mit heller Farbe, feiner Frucht, dabei schlank, präzise mit rassiger Säure, straffer Textur und guter Schiefer-Mineralität ist das ein Klasse-Riesling mit guter Zukunft, der sich hinter den besseren, Großen Gewächsen aus Deutschland nicht verstecken muss – WT95+. Perfekt gereift und jünger wirkend mit kräftigem, aber brilliantem Goldgelb im anderen Glas ein 2001 Kalkofen GC von Bürklin Wolf, der mit großartiger Struktur, Kraft, Fülle, kalkiger Mineralität und feinem Schmelz burgundische Anklänge zeigte. Mit guter Säure war dieser Wein aus einer perfekten Holzkiste immer noch so frisch – WT97. Als dritter Weißwein kam dann ein blutjunges, Großes Gewächs in die Gläser, ein 2019 Ürziger Würzgarten Riesling GG Alte Reben von Dr. Loosen. Mit seiner intensiven Würze ist bei diesem Wein der Name Programm. Auf den ersten Schluck wirkt er schlank und sehr finessig mit wohldosierter Fülle, doch verbirgt sich darunter eine enorme Kraft und Druck. Sicher ein Wein, der über die nächsten 20+ Jahre zulegen und deutlich mehr Komplexität und Fülle zeigen wird. Allerdings ist er auch im jetzigen, jugendlichen Stadium mit seiner enormen Saftig- und Trinkigkeit einfach unwiderstehlich – WT94+. Mit seinen ca. €25 ist er, wie die 9 anderen Großen Gewächse von Loosen auch unter Deutschlands GGs ein absolutes Mega-Schnäppchen. Ich habe alle 10 GGs des Hauses erst vor kurzem mit Erni Loosen verkostet, dazu zwei 15er Reserven und eine 2011-2015 Vertikale des grandiosen Erdener Prälat Reserve. Kommt demnächst als Report hier auf die Website.

Was dann aus dem Geburtsjahr unserer charmanten Gastgeberin ins Glas kam, war schlichtweg atemberaubend. Aus einem belgischen Keller, wo er seit dem damaligen Kauf Jahrzehnte unberührt gelegen hatte, erwarb ich Anfang der 90er diese perfekte Flasche 1955 Cheval Blanc Vandermeulen. Original Kork, perfekter Füllstand, dichte, fast altersfreie Farbe, so dicht und kraftvoll, bei diesem Wein stimmte einfach alles. Kein Wunder, dass da am Tisch auf einen deutlich jüngeren Wein getippt wurde. Traumhafte Nase mit diesem klassischen, so verführerischen Cheval Blanc Parfüm, am Gaumen so komplex mit generöser Fülle, wohl dosierter Opulenz, dabei so seidig und elegant, ein beeindruckender Charmeur und Cheval Blanc vom Feinsten – WT100. Nicht ganz so opulent wie der legendäre 47er, dafür balancierter und auf dem gleichen, unschlagbaren Qualitätsniveau. Und während der 47er meist schon deutliche Schwächen zeigt, dürfte der 55er in diesem Zustand noch eine längere Zukunft haben. Aber woher nehmen? Diese Vandermeulen Abfüllungen, die es bis 1955 gab, mit ihrem unspektakulären Etikett waren eine Garantie für höchste Qualität. Kaufen würde ich sie aber heute angesichts der zahllosen Fakes nur noch aus extrem zuverlässigen Quellen mit nachgewiesener Herkunft.

Und direkt danach kam noch so ein perfektes Highlight in unsere Gläser. Ein gewaltiger Wein mit Kraft und Fülle, mit reifer dunkler und roter Frucht, so saftig und geradezu opulent wirkend, aber auch sehr elegant mit seidiger Textur, dazu präzise mit großartiger Struktur und immer noch massivem Rückgrat inzwischen reiferer Tannine. Blind serviert waren wir uns einig, dass dies ein sehr beeindruckender WT100 Wein war. Dieser 1986 Margaux war zusammen mit Mouton mein Favorit bei den 86er Arrival Proben 1989. Parkers 100 Punkte konnte ich damals gut nachvollziehen. Aber in den folgenden 30+ Jahren hat mich dieser Wein mit seiner eigensinnigen Art und den massiven, bissigen Tanninen teilweise zum Wahnsinn getrieben. René Gabriel, den mit diesem Wein eine innige Abneigung verband hat dazu vor 11 Jahren mal einen Verriss geschrieben (https://weingabriel.ch/archiv-20101.shtml), der mit den Worten endete „Am meisten Lustgewinn kann man hier nur erzielen, wenn man ihn auf einer Auktion verkauft.“ Was ich gottseidank nicht getan habe. Total verschlossen und unnahbar blitzte zwar manchmal das gewaltige Potential auf, aber wann würde sich dieser Wein öffnen? Ich gab die Hoffnung nicht auf und jetzt mit dieser Flasche hier war es soweit. Die berühmte Eisenfaust im Samthandschuh hatte nach 35 Jahren zu ihrer Traumform gefunden, in der dieser Wein sicherlich die nächsten 20+ Jahre brillieren wird. Klare WT100 und große Glücksgefühle bei mir, auch, weil ich davon noch seinerzeit für kleines Geld OHKs kaufen konnte, die noch unberührt bei bester Lagerung im Keller schlummern.Unglaublich. Ich weiß zwar nicht wo und wann unser Freund diese Flasche hier gekauft hatte. Möglich, dass es bei meinen Subskriptionskisten noch etwas länger dauert. Aber dieser Margaux wird jetzt oder bald seinem Status als einer der besten Margaux des letzten Jahrhunderts gerecht.

Ein schwieriges Weinjahr war 1984, außer in Kalifornien. Hier wurden sehr schöne, langlebige Old School Kalifornier erzeugt. Eines dieser Prachtexemplare hatten wir im Glas,1984 Phelps Insignia, 11. Jahrgang dieses mit dem Jahrgang 1974 kreierten Signature Weins von Phelps, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc. Dieser 84er war nicht so üppig und opulent wie die modernen Insignias. Aus dieser perfekten Flasche hier zeigte er sich immer noch so frisch und lebendig mit feiner, dunkler, minziger Frucht, einem Hauch Eukalyptus, dabei so komplex, balanciert und mit langem Abgang, in der großartigen Struktur eher Bordeaux als Kalifornien – WT96. Sollte aus guten Flaschen bei entsprechender Lagerung noch lange Spaß machen.

Die Kraft und die Herrlichkeit moderner Kalifornier kam danach in Form des 2010 Harlan Estate ins Glas. Das ist nicht mehr vergleichbar mit den genialen Harlans der 90er Jahre, die für mich immer noch so eine Art der Quadratur des Kreises sind, als eine Art junger, reifer Latour. Die modernen Harlans und dieser 2010er gehört dazu, haben deutlich an Fülle und reifer Frucht zugelegt, was man ja in ähnlicher Form auch bei den modernen Dominus Jahrgängen sieht. Als junger Wein hat mir dieser Harlan mit puristischer Frucht besser gefallen. Jetzt läuft er wie schon im letzten Jahr trotz hervorragender Struktur durch eine heftigere, opulentere Phase, was durchaus jammern auf sehr hohem Niveau ist. Aber das kann sich in ein paar Jahren wieder geben. Schließlich hat auch dieser Harlan noch gut 20+ Jahre vor sich – WT97.

Danach musste man erst mal tief Luft holen, denn nach diesem Rock Konzert wurde plötzlich wieder Violine gespielt. Der sehr elegante, feine 1979 Margaux war ein betörender Charmeur mit süßer, verführerischer Frucht, aber durchaus auch mit Kraft und Potential für viele Jahre – WT95.,

Unter dem Namen Bond startete Bill Harlan Ende der 90er mit einem neuen Projekt. Er pachtete von privaten Eigentümern langfristig erlesene, kleinere Hanglagen und baute aus den Reben mit dem Harlan Team individuelle, sehr hochkarätige Weine aus. Gleich mit einem der ersten dieser Weine, 2001 Bond Melbury, gelang in diesem großartigen Kalifornien Jahrgang ein absolutes Meisterstück. Voll auf Augenhöhe mit dem ebenfalls perfekten 2001 Harlan überzeugt dieser Melbury mit superbem, puristisch schönem Fruchtcocktail aus Cassis, Blaubeere und Brombeere, mit Espresso, Bleistift-Mineralität und der großartigen Struktur eines Pauillac, einfach Perfektion. Das war jetzt meine vierte Flasche dieses Ausnahmeweines, und auch die bekommt wieder WT100.

Den Abschluss unserer feinen Probe bildete der sehr elegante, nachhaltige, aber auch erstaunlich offene 2007 Barbaresco Asili Riserva Red Label von Giacosa. Ein geradezu sinnlicher Wein mit animierender, süßer, roter Frucht, mit Rosenblüten, Veilchen, Lakritz und teeriger Mineralität. Säure und Tannine waren kräftig, aber reif und gaben diesem großartigen, schon mit so viel Spaß trinkbaren Wein, der geradezu sexy wirkte, eine elegante, sehr harmonische Persönlichkeit – WT97.