Dezember 2013

Boxenstop in Bad Ragaz

Warum macht Ihr nicht unterwegs einen Boxenstop bei uns, hatte mich Daniel Gantenbein im letzten Jahr gefragt. Die Idee war verlockend. Also wurde das Reisegepäck für Pontresina um ein Sixpack reifer Burgunder ergänzt, und wir machten uns auf nach Bad Ragaz ins Rössli. Dort ergab sich ein wunderbarer Abend und schnell war uns klar, dass das wiederholt gehört.

Also auch in diesem Jahr „same procedure“, ein Sixpack reifer Burgunder eingepackt und auf nach Bad Ragaz. Der Ort selbst ist so wunderschön weihnachtlich dekoriert, dass er für sich alleine in der Vorweihnachtszeit schon ein sehr lohnendes Ziel darstellt. Dazu kommt, vor dem Quellenhof stehend, der vielleicht größte Tannenbaum der Welt. Einfach überwältigend.

Unser Stammquartier in Bad Ragaz ist das Rössli, ein schmuckes Designer Hotel mit Gourmet Restaurant und Doris und Ueli Kellenberger als perfekten Gastgebern.

Verwöhnt wurden wir abends wieder mit einem Menü der Extraklasse. Ueli Kellenberger legte sich ins Zeugs, als seien wir die aus Paris angereisten Cheftester des Michelin. Extraklasse! Dazu entkorkte Daniel Gantenbein als ersten Apero den 2007 Gantenbein Chardonnay. Der hatte den Babyspeck früherer Jahre verloren und präsentierte sich erstaunlich schlank und finessig – WT93. Wahrscheinlich werden die meisten der ohnehin ultrararen Gantenbein Chardonnays viel zu früh getrunken, wodurch einem viel von der spannenden Entwicklung dieser Weine entgeht. Das galt natürlich auch für die jetzt folgende Flasche 2011 Gantenbein Chardonnay, einem Mörderstoff mit präziser Struktur, noch geprägt von jungen Barrique-Aromen, ähnelte dem grandiosen 10er und ist auf dem Weg zu etwas ganz Großem – WT94.

Rar ist gar kein Ausdruck für das, was die Gantenbeins anschließend entkorkten. Nur ganze 144 Flaschen gab es von diesem 1993 Criots-Batard-Montrachet von der Domaine Leroy. Das war keiner dieser holzgetunten Allerweltsburgunder. Immer noch frisch und jung wirkend, sehr mineralisch, unglaublich präzise, schlank im positiven Sinne, aber sehr druckvoll, so eine Art großer Dönnhoff aus Burgund. Eine gewisse Affinität zu einem großen Riesling konnte dieser beeindruckende Wein nicht verbergen – WT96. Sehr spannend dieser Wein aus einem bio-dynamisch bearbeiteten Weinberg.

Dann war mein Sixpack an der Reihe. Und gleich der erste Wein, ein erst vor wenigen Monaten in München ersteigerter 1937 Charmes Chambertin von Grivelet, entpuppte sich als Fehlschlag. Hat der keinen Korken, fragte mich Doris Kellenberger. Doch den hatte er. Nur schwamm er irgendwo mitten im Wein. Irgendwann, spätestens während der Fahrt, wahrscheinlich aber schon länger während der stehenden Lagerung der für diesen Abend ausgesuchten Flaschen hatte sich der Korken selbständig gemacht. Das Ergebnis war ein trotz intakter Farbe weitgehend oxidierter Wein, der sich im Glas nur noch kurz aufbäumte. Schade. Ansonsten hatten alle Weine die lange Fahrt von Düsseldorf nach Bad Ragaz bestens überstanden, und nach dem ersten Rohrkrepierer kam ein richtiges Feuerwerk.

Ein absolut stimmiger, harmonischer, großer Burgunder, der mit guter Säure sehr viel Frische zeigt und immer noch am Amfang einer längeren Entwicklung steht war der 1959 Clos Vougeot von SA Leroy. Sehr fein, sehr finessig, baut enorm im Glas aus - WT97. Noch so jung, dicht, kraftvoll und lang mit edler Rustikalität und feiner Süße der 1945 Corton von Doudet-Naudin - WT98. Alte Doudet-Naudins sind einfach eine Bank und aus guter Lagerung jede Suche wert. Schlichtweg Perfektion dann ein sprachlos und glücklich zugleich machender 1945 Chambertin von Clerget-Buffet, so fein gewoben, so unglaublich frisch , fast zart mit feiner Süße, unglaubliche, aromatische Dichte, bleibt ewig am Gaumen - WT100. Worte können einem solchen Monument eigentlich nicht gerecht werden. Ganz großes Kino auch der 1959 Romanée St. Vivant Cuvée du General Marey-Monge in einer belgischen Lafite-Abfüllung aus einer heute zu DRC gehörenden Lage. Wunderbare, junge Frucht, reife Himbeere, so jung, so seidig, aber auch noch mit enormer Kraft und noch deutlichen Tanninen, ein unsterblicher Wein, der sich noch über Jahrzehnte weiterentwickeln wird - WT98+. Nicht ganz mit kam da als sechster der 1937 Richebourg von Lalignant Chameroi mit einer immer noch unglaublich jungen, dichten Farbe. Wirkte im Vergleich zu den Weinen davor etwas rustikal und wurde vielleicht auch von deren Klasse etwas erdrückt. Möglicherweise hätte er auch etwas mehr Luft gebraucht (brillierte von 4 Jahren in einer Best Bottle mit WT99), aber das war Jammern auf allerhöchstem Niveau – WT94.

Harmonisch trocken präsentierte sich mit tiefem, aber brilliantem Goldgelb eine 1959 Dhronhofberger Auslese des Bischöflichen Priesterseminars mit Bienenwachs in der Nase und Orangenbitternote am Gaumen – WT91. Und als Zugabe kam dann noch aus dem Wallis der nur in homöopathischen Dosen erzeugte 2008 Syrah von Mercier. Ein pfeffriger Wein mit frischer, vollmundiger Kirschfrucht, mit viel Veilchen, kompakt, schlank und rassig am Gaumen, enormes Potential – WT91+.

Natürlich ist der nächste Boxenstop fest geplant. Und der Bericht vom Letztjährigen steht hier.