Boxenstopp in Bad Ragaz 2023

Sie hat inzwischen Tradition, diese Probe, und ist fulminanter Endpunkt der Probensaison, seit mich Daniel Gantenbein vor langen Jahren davon überzeugt hat, auf Weg in den Weihnachtsurlaub einen Boxenstopp in Bad Ragaz einzulegen. Immer dabei sind reife Burgunder aus dem Wineterminator Keller. Kombiniert wird das alles mit großen Weinen der Gantenbeins und ihrer Freunde. Und das alles im unschlagbaren Rössli mit Doris Kellenberger als perfekter Gastgeberin und Sommeliere und ihrem Mann Ueli als Küchengott.

Los ging es mit zwei sehr schönen Champagner. Noch blutjung und doch schon so faszinierend war der 2012 Taittinger Comtes de Champagne. Das war einfach die jugendliche Version eines meiner Lieblingschampagner, mit dem wir in der grandiosen 2008er Version den Boxenstopp 2021 eröffneten. Stilistisch erinnerte mich dieser 2012er daran. Das war mit feiner Perlage einfach Eleganz und Finesse pur, bei aller Kraft sehr präzise und mit einer Art Leichtigkeit des Seins. Dürfte über lange Jahre deutlich zulegen und gut altern – WT95+. im Keller habe ich selbst noch Comtes de Champagne diverser Jahrgänge bis runter auf 1973. Etwas reifer und auch verhaltener, auch in der Perlage, wirkte der bei Parker mit 100 Punkten geadelte, goldgelbe 2008 Egly-Ouriet Grand Brut Millesimé, der wohl durch eine etwas verschlossene Phase geht. Am Gaumen zeigte er sich aber enorm kräftig und sehr komplex mit enormem Tiefgang, sehr guter Säure und Länge – WT96+. Dürfte wohl eine Champagner Legende im Werden sein, die eigentlich dekantiert, aber besser noch ein paar Jahre kühl gelagert gehört.

Dann kam ein beeindruckendes weißes Feuerwerk mit drei Burgundern. Es startete mit einem typischen, breitschultrigen 1993 Batard Montrachet von Sauzet aus den goldenen Vor-Premox Zeiten. Der war sehr kräftig und nachhaltig, aber auch noch erstaunlich frisch mit guter Säure und zeigte feinen, nussigen Schmelz. Hat sich seit seiner Jugend, in der er wohl eher etwas karg war, fantastisch entwickelt und dürfte sich bei guter Lagerung auf dem heutigen, hohen Niveau durchaus noch länger halten – WT97. Für den warmen Jahrgang zeigte der sehr würzige, kräftige 2009 Chablis Grand Cru Les Clos von Raveneau eine erstaunlich gute Säure und Frische. Mit Zitrusfrucht, wohl dosierter Fülle und mineralischer Präzision dürfte dieser Les Clos jetzt und für die nächsten 10 Jahre auf dem Höhepunkt sein – WT96. Nicht nachdenken darf man allerdings über den absurden Preis, der für eine solche Flasche heute im Sekundärmarkt verlangt wird. Das gilt leider auch für den hervorragenden, immer noch geradezu jugendlich frischen 2011 Meursault Perrières 1er Cru von Roulot. Der startete etwas reduktiv und verschlossen, explodierte dann aber förmlich im Glas. Sehr elegant mit floraler Nase, weißen Blüten, wirkte noch ganz schön stramm mit mineralischer Präzision, dabei vibrierend mit sehr guter Säure und viel Spannung, und natürlich mit guter Zukunft – WT96+. Wohl dem, der den noch im Keller hat oder jemanden kennt. Aber es gibt natürlich auch einen Geheimtipp für Roulot Top Qualität zu sehr akzeptablen Preisen, die hervorragenden Chardonnays, die Roulot für Chacra in Patagonien macht.

Die Riege der gereiften, Roten Burgunder startete atemberaubend mit dem Wein des Abends, der vielleicht auch der Wein des Jahres war. Dieser 1915 Corton von Seguin-Manuel mit seinem unglaublichen Charisma und seiner Ausstrahlung erinnerte an den legendären 1915 La Romanée von Morin, den wir vor 8 Jahren verkosten durften. Ein großer, kompletter, sehr eleganter Burgunder war das, der im Alter von 108 Jahren einfach alles hatte, eine immer noch intakte, brillante Farbe mit kaum Brauntönen, eine fantastische, verführerische Frucht, Kirsche, Himbeere und Erdbeere, soviel aromatischer Druck, eine noble Struktur, generöse Süße und grandiose Länge – WT100. Wie ist/war so etwas möglich? Die Jahrgänge 1911, 1915 und 1919 waren die Goldene Jahre des Burgunds. In diesen Jahrgängen wurden großartige Weine produziert, natürlich mit Stengeln vergoren und extrem langlebig. Wen man einen solchen wein so wie ich vor 30 Jahren aus bester Lagerung erwischt und vielleicht erst der zweite Besitzer ist, und wenn dieser Wein aus bester Lage von einem sehr guten Winzer stammt, dann ist das der Stoff, aus dem unsterbliche Legenden sind.

Wunderschön danach auch der deutlich reifere 1934 Volnay aus der Barolet Collection. Der zeigte dezente Brauntöne in der dichten Farbe und viel Liebstöckel. Doch mit Luft baute dieser Volnau im Glas enorm aus. Er wurde immer würziger, das Liebstöckel machte reifer Frucht Platz und am Gaumen stellte sich immer mehr generöse Süße ein – WT95. Auch das war also ein zeitloses Dokument längst vergangener Zeiten. Mit diesem Wein tranken wir auf meine in 1934 geborene, weltbeste Schwiegermutter, die uns wenige Wochen vorher verlassen hatte.

Spannend das Duell auf Augenhöhe zweier Giganten aus 1949, ein 1949 Clos Vougeot in einer namenlosen Händlerabfüllung und ein 1949 Beaune 1er Cru von Leroy. Beide Weine zeigten noch eine dichte Farbe, waren kraftvoll und sehr würzig mit unglaublicher Länge und einfach fantastischer Präsenz, beide locker WT97. Wobei eine solche Punktzahl für solch lebendige Zeitdokumente eigentlich angesichts der heutigen Punkteflut für junge, unfertige Weine schon fast eine Beleidigung ist.

Großes Burgunderkino kam danach auch aus der ersten Hälfte der 50er. Enorm kraftvoll der sehr präsente und elegante 1953 Volnay Clos des Chènes von Jadot mit delikater Frucht, guter Säure und schöner Süße – WT96. Aus perfekter Flasche war der 1953 Clos Vougeot von Thorin sehr fein mit geradezu spielerischer Eleganz. Verführerisch die delikate Frucht, dazu kam toller Schmelz, schöne Süße und eine erstaunliche Frische – WT97. Unerwartet schön zeigte sich auch ein eigentlich nur als Reserveflasche mitgenommener 1955 Beaune Clos des Mouches von Chanson. Der hatte eine enorm dichte Farbe mit wenig Alter, eine einfach superbe Frucht mit erstaunlicher Frische und war einfach ein perfekt balancierter Schmusewein mit betörender Süße – WT97.

Und natürlich gibt es bei Weinen, die wie hier echt und echt gut sind, auch Pleiten, Pech und Pannen. Extrem selten sind bei Vandermeulen Korkfehler, aber diesen 1955 Latricières Chambertin, der schon in mehreren Proben auf WT100 Niveau brillierte, erwischte es faustdick. Sehr reif schon und der großen Namen nicht wirklich würdig war trotz sehr gutem Füllstand und noch sehr guter Farbe ein 1959 Chambertin von Rebourseau aus diesem einmaligen Burgunderjahrgang, aus dem fast alle Weine gut sind. Aber da mag ein nicht ganz dichter Korken Luft gezogen haben. Und auch ein 1971 Clos des Lambrays bereitete nicht wirklich großen Trinkspaß.

Paukenschlag zum Schluss war dann noch als jugendlicher Held der sehr hochklassige 1999 Bonnes Mares Grand Cru von der Domaine Georges Roumier. Der verwöhnte uns in allererster Reife mit seiner druckvollen Aromatik und weckte alle Sinne. Puristisch schöne, süße Kirschfrucht, enorme Kraft, Tiefgang und Dichte, dazu viel Spannung, alles in wunderbarer Balance und Harmonie mit einem guten Rückgrat kräftiger, aber reifer Tannine für eine lange, vielversprechende Zukunft – WT97+.