Köln ist immer eine Reise wert

Das gilt natürlich vor allem dann, wenn man als Gast an einer dieser feinen Proben des Kölner Weinkreises teilnehmen dar. Ich hatte in diesem November wieder dieses hochkarätige Vergnügen, diesmal bei meinem Freund René. Zu einem großartigen Menü von Stevie Kimmig kamen dort herrliche Weine ins Glas.

Den Anfang machte ein gut gereifter und wohl perfekt gelagerter 1998 Billecart-Salmon Cuvée Nicolas Francois Billecart ohne oxidative Noten. Der zeigte immer noch ein gutes Mousseux, auch im Glas, was sich intensiver am Gaumen fortsetzte. Dazu kamen kandierte Früchte, Citrus Zesten, Karamell und Bratapfel in cremiger Textur mit guter Länge – WT95.

Alle Weine wurden blind serviert, was natürlich zu intensiven Diskussionen führte und teilweise auch zu überraschenden Resultaten. So gleich im ersten Flight, bei dem spontan der Name Tement fiel. War es aber nicht. Der sehr elegante, im positiven Sinne schlanke, klassische Chardonnay von deutlich spürbar kalkigen Böden hatte eine florale Nase und wunderbare Zitrus Frucht, war jung, vibrierend mit guter Säure, klassisch Burgund halt, ein 2018 Meursault Charmes von Ballot Millot - WT96. Sehr jung, fast noch etwas unfertig, wirkte der sehr intensiv-fruchtige, enorm kräftige 2013 Sauvignon Blanc Les Champs Libres von der Lafleur Inhaberfamilie Guinaudeau mit sehr guter Säure und schon fast explosiver Aromatik mit viel frisch geschnittenem Grass, Stachelbeere, Grapefruit und frischen Kräutern. Auf einen Weißen Bordeaux wäre ich hier nie gekommen und auf einen 10jährigen Wein auch nicht – WT96.

Und damit waren wir beim ersten Rotwein Flight mit Licht und Schatten. Sehr gut gefielen mir die beiden Weine von Taillefer aus Pomerol, einem Chateau, das bisher noch nicht so oft seinen weg in mein Glas gefunden hat. Der 1959 Taillefer war ein sehr feiner und eleganter, gut gereifter Wein, rotfruchtig mit würzig mit Waldboden und feinem, süßem Schmelz – WT95. Der 1971 Taillefer aus diesem guten Pomerol Jahrgang war ein feiner Charmeur mit cremiger Fülle und Schokobanane, aber auch erdigen und leicht metallischen Noten und etwas Hühnerstall in der Nase. Baute gut im Glas aus und wurde deutlich gefälliger – WT94. Fantastisch war ganz zu Anfang der 1961 Gaffelière Naudes, der mit sehr dichter Garbe sowie enormer Kraft und Fülle diesen Flight dominierte. Leider kam in der Nase ein immer deutlicher Stinker, und etwas flüchtige Säure und mit der Zeit zerfiel der Wein förmlich. Die WT92 sind eine Momentaufnahme „zwischendrin“. Das war sehr schade, denn ich bin ein großer Fan von Gaffelier-Naudes, für mich so eine Art Cheval Blanc für Schaube. Den 61er hatte ich vor zwei Jahren noch in überragender Qualität mit WT99 im Glas. Sehr elegant und stimmig zeigte sich die immer noch so voll intakte, sehr charmante 1978 Pichon Comtesse, bei der nur ein dezenter Kellerton den positiven Gesamteindruck etwas trübte.

Deutlich hochkarätiger ging es dann im nächsten Flight zu und das rotz etwas schwierigeren Jahres. Erstaunlich kräftig, im besten Sinne kernig, dabei immer noch frisch mit guter Frucht, viel Kräutern und sehr guter Struktur aus wohl perfekter Flasche war der 1973 Ausone – WT96. Noch etwas darüber lag der sehr elegante 1973 Cheval Blanc mit dieser traumhaften, unnachahmlichen, verführerischen Nase, sehr fein, spielerisch tänzelnd, delikate, rotbeerige Frucht, so seidig am Gaumen mit schöner, opulenter Süße – WT97. Sehr kräftig auch der ebenfalls elegante 1973 Haut Brion mit schöner Kirschfrucht und immer noch erstaunlich gutem Tanningerüst, ledrig, erdig, mit Tabak und Cigarbox – WT95. Hier zeigte sich mal wieder der Vorteil einer Blindprobe. „Sehend“ hätten diese drei Weine aus dem allgemein schwächer bewerteten Jahrgang 1973 trotz ihrer beeindruckenden Qualität wohl kaum die Chance gehabt, so gut abzuschneiden.

Sehr hoch wurde am Tisch von den erfahrenen Kölner Weinnasen der erstaunlich kräftige, sehr druckvolle, immer noch intensiv primärfruchtige 2008 Margaux bewertet, der für mich blind als junger, großer Pauillac Klassiker durchging – WT97. Großartig auch der enorm druckvolle, komplexe 1998 Lafleur mit der typischen, kräuterig-lakritzigen Aromatik und noch gewaltigem Potential – WT97+. Der absolute Star dieses Flights war 1997 Heitz Martha´s Vineyard, der erst zweite Jahrgang nach der Neuanpflanzung. Was da an Dichte, Fülle, unbändiger Kraft mit schöner Kirschfrucht , reichlich Eukalyptus und Minze, dazu generöser Süße ins Glas kam, das war sehr beeindruckend – WT99. Noch so unglaublich frisch mit traumhafter, nicht überladener Frucht, perfekter Struktur, minzig und enorm druckvoll, dicht und sehr lang am Gaumen, immer noch mit perfekter Tannin- und Säurestruktur zeigte sich der 1997 Philipp Togni Cabernet Sauvignon – WT97.

Einer der größten, jemals produzierten Heitz hätte der 1985 Heitz Martha´s Vineyard werden können, wären da nicht die alten, belasteten Fässer des altersgeizigen Joe Heitz gewesen. So gibt es ein paar wenige, perfekte Flaschen dieses Weines, aber eben auch den Großteil, die wie diese hier diesen wenig prickelnden Fehlton besaßen, diese Mischung aus Kork und vier Wochen getragenen Wandersocken. Dabei war das sonst ein gewaltiges sehr dichtes Konzentrat. Ich habe deshalb wie schon so oft habe ich mein Glas sehr lange stehen lassen, immer wieder reingerochen und probiert. Und tatsächlich, der Heitz wurde zugänglicher, immer weniger stinkig, stattdessen kamen immer mehr Minze und Eukalyptus. Beim allerletzten Schluck war ich bei WT95. Als einfach komplett und atemberaubend schön entpuppte sich der 1986 Heitz Martha´s Vineyard, den wir hier in einer einwandfreien Ausnahmeflasche mit tiefer, altersfreier Farbe, soviel Kraft und Spannung mit traumhafter Kirschfrucht, dazu viel Minze und natürlich Eukalyptus erwischten – WT99. Und als perfekter Schlusspunkt dieser wunderbaren Probe zeigte sich dann noch so jung mit einfach irrem Potential der 1987 Heitz Martha´s Vineyard, wunderbare Kirschfrucht mit viel Minze und Eukalyptus, wild, jung, ausdrucksstark und kräftig mit gewaltiger Länge – WT97+.

So viele Heitz Martha´s in einer Probe? Unser Gastgeber an diesem Abend war einer der großen Heitz Sammler mit großen Heitz Beständen in einem perfekten Keller. Proben hier sind immer ein großes Fest.