August 2023

Nur die Harten kommen in den Garten

Regen und stürmisches, kühles Wetter. Aber das hielt uns nicht davon ab, auf der leeren Terrasse der D-Schänke unter einem Schirm ein paar schöne Weine zu trinken. Gelungener Start war der 2014 Le Grand Pinot von Jost&Ziereisen. Das war ein immer noch sehr junger, dichter, präziser Pinot Noir, kräftig und druckvoll, aber auch elegant, mit kalkiger Mineralität, burgundischen Konturen, enormem Tiefgang und straffer Textur. Brauchte einige Zeit zur Entfaltung und dürfte eine gute Zukunft haben und sich über viele Jahre prächtig weiterentwickeln - WT95.

Gewöhnungsbedürftig waren erster Schluck und Nase des 1959 Inferno Valtellina Superiore von Nino Negri. Dieser Nebbiolo, der mit nicht sonderlich vertrauenserweckender, rostbrauner, reifer Farbe in unsere Gläser floss, erinnerte in der Aromatik an reifen, älteren, klassischen Barolo. Aber die Luft in Glas und Karaffe tat diesem Wein gut. Die gute Säure verlieh ihm Frische. Die Textur wurde etwas cremiger, mit feiner Süße kamen kandierte Kräuter, dazu erdige Mineralität und erstaunliche Länge – WT93.

Eine sehr frühe Ernte von dickschaligen Trauben mit hohem Zuckergehalt ergab in Burgund 1976 sehr tanninreiche Weine, bei denen die Gefahr des Austrocknens bestand. Wurde bei seiner Ankunft als Jahrhundertjahrgang gefeiert, aber das hört man ja aus vielen Weingegenden sooft. Doch der Jahrgang, der heute kaum noch wahrgenommen wird, hat sich häufig prächtig entwickelt. Verdammt gut können Burgunder aus 76 sein. Das zeigte eindrucksvoll dieser 1976 Volnay Caillerets von Marquis D´Angerville. Der hatte eine brillante, dichte, praktisch altersfreie Farbe. Auch in der gesamten Anmutung war er noch so jung mit dunkler Kirsche, druckvoll Aromatik und so kräftig am Gaumen mit enormer Länge. Einfach ein großer, kompletter Burgunder – WT95. Aus guter Lagerung greife ich bei Burgundern aus 1976 gerne noch zu.

Ein schier unglaublicher, kaum zu glauben Wein war danach der 1983 Romanée St. Vivant von Michel Voarick. Das war Romanée St. Vivant wie ich ihn liebe, in absoluter DRC Qualität, und das aus einem Burgunderjahrgang, der eher als schwierig galt. Aber aus meiner langjährigen, intensiven Erfahrung mit reifen Burgundern weiß ich, dass Jahrgänge und große Namen nicht unbedingt viel bedeuten. Dieser 40jährige Romanée St. Vivant hier war noch so irre jung mit dezent rauchigen Noten, betörender, pikanter Frucht, sehr guter Säure und voller Eleganz und Finesse. Entwickelte sich absolut großartig in Dekanter und Glas über längere Zeit und zeigte dabei soviel Energie und Spannung, das war schlichtweg atemberaubend. Ganz konservative WT97 habe ich gegeben, aber wir haben uns später am Tisch schon gefragt, warum man eine solche Glanzvorstellung nicht einfach mit perfekter Note würdigt. Mitgebracht hatte ich diesen Wein, weil Thomas Demske, der so sympathische Inhaber der D-Schänke und großer Weinliebhaber wenige Tage danach seinen 40. Geburtstag feierte. Hat einfach prima gepasst.

Bei Ebay hatte ich zwei Flaschen des nächsten Weines über die Resterampe von Maison Vin gekauft. Die waren just an diesem Tage eingetroffen, und die bessere von beiden war jetzt spontan dran. Gekauft hatte ich diesen 1985 Marquis d´Alesme Becker eigentlich nur aus reiner Neugier wegen des Namens. Die Geschichte des Gutes geht bis 1616 zurück, als hier von einem Adligen namens D´Alesme die ersten Reben gepflanzt wurden. 1809 übernahm ein holländischer Kaufmann namens Becker das Gut und fügte seinen Namen hinzu. So kam ich jetzt zu einem Wein, der meinen Namen auf dem Etikett trug. Die Weine dieses unbekannteren, kleineren Gutes hatten eigentlich einen guten Ruf als gute Margaux mit Stil und Rasse. Trotzdem hatte ich nicht unbedingt viel erwartet, aber das, was da mit voll intakter, dichter, dunkler Farbe ins Glas floss, konnte sich sehr gut sehen, riechen und schmecken lassen. Erstaunlich kräftig war der D´Alesme, dabei sehr elegant und altersfrei mit feiner, rotbeeriger Frucht, einfach ein klassischer, sehr schöner Margaux, der trotz stilistischer Ähnlichkeit natürlich nicht an den in 1985 außergewöhnlich gut gelungenen Chateau Margaux selbst nicht drankommt. Aber dafür kostete er auch nur einen Bruchteil des Preises – WT93. Da freue ich mich schon auf die zweite Flasche.

Fantastisch als Abschluss unserer feinen Sause war dann ein 1999 Sassicaia. Der war noch so jung mit tiefer, dunkler Farbe. Wunderbare, frische und betörende, dunkle Kirschfrucht nahm alle Sinne in Beschlag in gelungener Kombination von Eleganz, Finesse und Kraft, dazu mit Tabak, Leder und Bleistift Mineralität. Dieser großartige, komplette und lange unterschätzte Sassicaia hat über 20 Jahre gebraucht, um die verschlossene Phase zu überwinden und richtig aufzublühen. Jetzt zeigt er enorme Tiefe und Spannung, dazu diese einmalige, noble, aristokratische Struktur. Hier war jetzt der Lafite Rothschild Italiens im Glas, der mindestens eine Bewertung von WT96 verdiente.

Ein sehr schöner Sommerabend war das und die ideale Rotwein Temperatur. Solche Wein schmecken nun mal bei 18 Grad besser als bei 38.

Auf der Düne

Traumhafter Nachmittag bei und mit Jörg Üller zuhause auf der Düne in Rantum.

Texte zu den schönen Weinen folgen.