Januar 2024

"Dry January?"

Was ist das eigentlich, dieser „Dry January“? Ich trinke eigentlich das ganze Jahr über hauptsächlich trockene Weine. Oder ist das so eine Art Gelübde, einen Monat nichts zu trinken? Dann sind das wohl ganz Schlaue, die sich die christliche Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern sparen wollen, denn die ist ja 10 Tage länger.

Egal, ich habe mich ein paar Tage vom Jahreswechsel erholt und hätte diesen faszinierenden 2019 Idig Spätburgunder GG von Christmann im Saittavini nach unserer Rückkehr nicht missen wollen. Das ist schon großartig, was das hochmotivierte Vater/Tochter Team Steffen und Sophie Christmann da auf die Flasche bringt. So fein und seidig elegant mit puristisch schöner, delikater und animierender Frucht, dazu so wunderbar stimmig und balanciert mit burgundischen Konturen im besten Sinne, wird sich sicherlich über lange Jahre weiterentwickeln, aber ist jetzt schon unwiderstehlich - WT94+.

Ach ja, zu den alkoholfreien Tagen. Ich bin ein großer Fan sehr regelmäßiger, kurzer Pausen. Mindestens 100 Tage (im letzten Jahr übererfüllt) sollten da schon bei rauskommen.

Im Schwarzen Adler

Traditionell führt uns der Rückweg aus dem Wintersport in den Schwarzen Adler in Oberbergen im Kaiserstuhl, wo große Weine zu großer Küche auf uns warten.

Klar sind auch hier die Zeiten vorbei, wo man für kleines Geld riesengroße Weine trinken konnte. Aber die sehr umfassende Weinkarte setzt immer noch Maßstäbe, und mit der sehr erfahrenen Melanie Wagner steht Top Beratung zur Seite.

Was uns dieses Mal sehr positiv überraschte, war die Küche, die auf hohem Niveau nochmal deutlich zugelegt hat. Was da auf den Tisch kam, war große Klasse.

Als Apero starteten mit einem taufrischen 2019 Rausch Kabinett von Zilliken. Der war sehr animierend und rassig mit Zitrus und Ananas, guter, reifer Säure, dezenter Süße und schon Richtung Spätlese gehender Fülle – WT92. Nicht entgehen lassen wollte ich mir den freundlich gepreisten 2017 Morstein GG von Keller. Wo sonst findet man einen solchen Wein, den ich im eigenen Keller sicher noch länger liegen lasse, auf der Karte. Also bestellt, mit der Bitte, ihn zu dekantieren. Noch blutjung war das, was da aus der Karaffe ins Glas kam, aber bereits mit intensiver Strahlkraft, sehr präzise und mineralisch mit viel Spannung, hoher Säure und sehr guter Länge. Wird sich über lange Jahre weiterentwickeln und zulegen – WT94+. Ich gebe zu, von Kellers Morstein hatte ich auch in diesem jugendlichen Stadium etwas mehr erwartet. Erst später, als wir dann bereits tief in den Rotweinen gebadet hatten, wurde die Flasche des längst ausgetrunkenen Weines dazugestellt, ohne, dass ich das mitbekam. Und stellte jetzt voll Erstaunen auf den Fotos(!) fest, dass das der 2017 Morstein GG von Wittmann war. Da wurde mir so einiges klar. Oh liebe Melanie, das hätte nicht passieren dürfen. Und ich sollte sicher besser aufpassen.

Immer besser gefallen mir die Weine des hauseigenen Weingutes. Was Fritz Kellers Sohn Friedrich da abliefert, ist sehr beeindruckend. Wir hatten einen (an)gereiften 2015 Schlossberg GG Spätburgunder im Glas, sehr elegant und balanciert mit betörender, feiner Frucht. Hat noch viel Potential – WT94+. Der 2015er stammte aus den Anfangsjahren von Friedrich Keller, zeigte aber schon deutlich, wo sich diese Weine hin entwickelten. Deutlich reifer mit viel Kaffee, erdigen Aromen und Unterholz war der 2012 Hundsrück Spätburgunder GG von Rudolf Fürst. Der zeigte sich aber auch sehr kräftig und würzig mit enormem Tiefgang, sehr komplex und mit großartiger Länge – WT95. Da kam der dritte im Bunde nicht mit, ein 1982 Grands Echezeaux von Mongeard -Mugneret. Der hatte eine helle Farbe und in der Nase erste Reifetöne. Am Gaumen zeigte er sich sehr fein und elegant, entwickelte eine schöne Süße, aber für den großen Namen fehlten da einfach Substanz und Druck – WT90.

Ausgesprochen frisch zeigte sich als Abschluss ein 1983 Rieussec, für den ich mich zum Abschluss nicht als perfekte Begleitung, sondern als faszinierenden Gegensatz zu einem großen Schokoladendessert entschied. Der war fruchtig mit viel Aprikose, Orangenzesten und Kumquats, aber auch Honig, zeigte eine gute Säure und schöne, nicht übertriebene Süße und dürfte noch am Anfang einer längeren Sauternes Karriere stehen – WT95.

Kleines Neujahrstrinken

Mit guten Freunden stießen wir nachträglich im Landhaus Mönchenwerth noch auf das neue Jahr an. Immer noch so jugendlich frisch und rassig mit guter Zukunft zeigte sich „ten years after“ der 2014 Halenberg GG von Schäfer Fröhlich, der auch „twenty and thirty years after“ locker hinkriegen sollte – WT94+. Der 1983 Mouton Rothschild zeigte sich aus perfekter Flasche wieder als großer, klassischer Mouton, immer noch so frisch und altersfrei mit Cassis, Minze, Leder und Bleistift Mineralität, dazu noch dezenter Röstaromatik. Ein faszinierender Charmeur war das, sehr elegant mit toller Länge – WT97. Der 1989 Hermitage la Chapelle von Jaboulet-Ainé wirkte immer noch blutjung. Mit seiner wunderbaren, präzisen, rotbeerigen Frucht war das ein intensiver, süßer, lakritziger Traum mit großartiger Struktur, ein richtig genialer 90er für Schlaue – WT97. Atemberaubend danach einer meiner Lieblingsweine, der 1994 Shafer Hillside Select aus diesem großen Kalifornien Jahrgang, Seriensieger in vielen Best Bottles. Zwischendrin, so ab 2010, hatte ich mal das Gefühl, dass sich da eine leichte Müdigkeit einstellte. Aber diese Phase ist vorbei und seit ein paar Jahren zeigt sich dieser Hillside wie auch jetzt wieder in Top Form, mit großartiger Frucht, intensiver Minze und feinstem Schmelz hoch elegant, einfach perfekt balanciert und praktisch altersfrei – WT100. Klar hatte es danach aus gleichem Jahrgang der 1994 Solaia etwas schwer. Aber auch der war so jung und entwickelte sich sehr gut im Glas, enorm kraftvoll und sehr würzig mit der Struktur eines großen Bordeaux, mit Schwarzkirsche und Cassis, feinen Kräutern, Tabak, Leder und etwas Bittermandel – WT96.

Mit zwei weiteren Flaschen ging es dann weiter zu unserem Freund Thomas in die Dorfschänke. Viel zu jung werden in der Regel die berühmten LaLas von Guigal getrunken. Die machen zwar viel Spaß in der ersten Jahren, verschließen sich dann aber rasch und brauchen zumindest aus den großen Jahren gut 15-20 Jahre, um sich voll zu entfalten. Und das taten diese beiden 25-jährigen aus 1999 in absoluter Perfektion. Der 1999 La Mouline war der elegantere, feinere von beiden mit dem großen Pfauenrad an Gewürzaromen. Der 1999 La Turque war der etwas wildere, exotischere, hedonistischere. Jeder für sich perfekt und ein absoluter WT100 Traum. Beide noch so jung mit sehr langer Zukunft.

Let the 99ers roll

Mit ein paar schönen 99ern trafen wir uns bei und mit Thomas in der D-Schänke. Wir starteten mit einem 1999 Turo d´en Mota, einem sehr raren Single Vineyard Cava aus Penedés, von dem es nur 2.973 Flaschen gab. Der blieb vor dem Degorgieren 10 Jahre auf der Flasche. Ich habe den 2009 in Barcelona in einem Sterneschuppen entdeckt, war begeistert und bin sofort auf die (erfolgreiche) Suche gegangen. Ein der letzten beiden, im Keller vergessenen Flaschen habe ich dann jetzt im zarten Alter von 25 Jahren geöffnet. Würde der so gut altern, wie große Vintage Champagner? Klares Ja! Der war immer noch so frisch und elegant, mit heller, goldener Farbe, schönem, feinperligem Mousseux, delikater Trockenfrucht und Äpfeln, frischen Backwaren und guter Mineralität. Ein komplexer Cava in bester Champagner Art mit guter Länge und immer noch längerer Zukunft – WT94.

Sehr spannend dann der Vergleich von zwei 25 Jahre alten Pinots. Absolut genial und ohne Altersnoten zeigte sich der sehr elegante, feine 1999 Gantenbein Pinot Noir mit cremiger Textur und mit wunderbarem Schmelz, aber auch mit Kraft, Struktur und Dichte, noch voll da mit sehr schöner Länge – WT96. Kräftig, kernig und etwas rustikal zeigte sich der 1999 Gevrey Chambertin Vieilles Vignes von Dugat Py, der sich im Glas entwickelte und etwas gefälliger wurde – WT93. Gegen diesen unvergleichlichen Gantenbein war er aber chancenlos.

Dreimal sehr hohes Niveau völlig unterschiedlicher Weine in der Cabernet Sauvignon Fraktion. Viel Luft brauchte der 1999 Sassicaia, den wir deshalb dekantiert zurückstellten. Dann zeigte er sich so jung mit tiefer, dunkler Farbe. Wunderbare, frische und betörende, dunkle Kirschfrucht nahm alle Sinne in Beschlag in gelungener Kombination von Eleganz, Finesse und Kraft, dazu mit Tabak, Leder und Bleistift Mineralität, enorme Tiefe und Spannung, dazu diese einmalige, noble, aristokratische Struktur – WT96. Klassischer Publikumsliebling und begnadeter Crowd Pleaser war der ebenfalls noch so jugendliche 1999 Newton Grand Vin, auch der noch so frisch mit junger, dunkle Frucht, Minze, einem Hauch Eukalyptus und einer druckvollen Aromatik, mit der er förmlich aus dem Glas sprang. Aber da war auch die großartiger Struktur eines echten Grand Vin, die diesen Wein auszeichnete – WT96. Und da war sie beim 1999 Haut Brion schon wieder, diese jugendlicher Frische, hier mit betörender, rotbeeriger Frucht, mit etwas Minze und der klassischen Cigarbox Aromatik. So elegant und balanciert wurden die immer noch kräftigen Tannine und die gute Struktur etwas überdeckt – WT96. Ein großartiger Haut Brion, der an den 79er erinnerte und sicher noch 20-30 Jahre vor sich haben durfte. Wer von diesen drei Weinen jetzt der beste war, das entschied der jeweilige, persönliche Geschmack, der natürlich auch an unserem Tisch differierte.

Als Absacker kredenzte uns der liebe Thomas noch einen gut gereiften 2003 Ridge Santa Cruz Mountains mit dunkler Frucht und reifen Tanninen. Gefiel mir fast besser als die bisher getrunkenen Monte Bellos aus diesem schwierigen Kalifornien Jahrgang – WT92.

Die 1988er aus Pessac

1988 war ein schwieriges, lange verkanntes Jahr in Bordeaux. Straffe, tanninreiche Weine zeigten kaum eine Fruchtphase und marschierten gleich durch in eine verschlossene Schafphase. Doch inzwischen blühen sie immer mehr auf. Für unsere kleine Verkostung hatte ich Weine aus Pessac mitgebracht. Wir starteten mit einem 1988 Domaine de Chevalier Blanc, der sich goldgelb mit etwas reifer Banane und altersfrei mit feinem Schmelz und guter Säure zeigte – WT93. Prächtig entwickelt hat sich der immer noch fast jugendlich wirkende 1988 Haut Bailley mit Schwarzer Johannisbeere, Kräutern, Tabak, einem Hauch Minze und etwas Cigarbox, dabei sehr elegant mit noch guter Zunft – WT95. Auf gleichem Niveau mit mentholiger Frische der kräftige und druckvolle 1988 Pape Clement, der mit Cigarbox, Eukalyptus teeriger Mineralität an La Mission erinnerte – WT95. Eines meiner Lieblings-Weinduelle war häufig 1988 Haut Brion gegen 1988 La Mission Haut Brion mit immer wieder wechselnden Ergebnissen. Diesmal lag der 1988 Haut Brion vorne. Ein dichter, kräftiger Wein, immer noch so frisch und jung wirkend mit superber, dunkler Frucht, viel Minze und etwas Eukalyptus, Tabak, Cigarbox, guter Säure und gewaltiger Struktur, aber auch erster, feiner Süße – WT97. Der 1988 La Mission wirkte im Vergleich verhaltener und immer noch stückweit verschlossen. Aber gleichzeitig war er bei aller Konzentration so fein und elegant mit der klassischen Cigabox Aromatik und einer massiven, aber kaum merklichen Tanninstruktur für eine große Zukunft – WT95+. Ich bin gespannt auf das nächste Duell. Und in zehn Jahren mache ich dann Haut Brion und La Mission mit den Jahren 1988, 1989 und 1990 gegeneinander. Das könnte für Überraschungen sorgen. Zum Vergleich öffnet ich noch einen 1986 La Mission Haut Brion. Der war von der Farbe etwas heller als der 1988er, aber noch verschlossener und öffnete sich nur stückweit und das ganz zögerlich. Die Frucht blieb hinter einem mächtigen Wall kräftiger Tannine versteckt. Ja, mit etwas Phantasie konnte man die enorme Dichte und Tiefe spüren und auch das gewaltige Potential dieses Weines, der die heutigen WT94+ sicher weit hinter sich lassen wird. Irgendwann in 5-10 Jahren werde ich ihn sicher spätestens wieder probieren. Gut möglich aber, dass dieser Brocken für einen möglichen Trinkhöhepunkt 20 und mehr Jahre einfordert.

Als Abschluss unserer kleinen Verkostung öffnete ich noch einen 1988 Lafaurie Peraguey in der halben Flasche aus einer extra dafür geöffneten 24er Kiste, damals en primeur erworben. Klare, brillante Farbe, Honignase mit reifer Aprikose, Englischer Orangenmarmelade und Crème Brulée, immer noch mit guter Säure und überraschender Frische, am Gaumen mit cremiger Textur, aber auch sehr balanciert mit gut integrierter, feiner Süße, wird sicher gut weiter altern – WT95.